Es ist schwer, in die Zukunft zu marschieren, wenn die Vergangenheit das Tempo diktieren will. Der Widerstreit der Geschwindigkeiten bestimmte das Tiroler Gedenkjahr 2009, das an die Freiheitskämpfe vor 200 Jahren gegen Napoleon erinnert. Und so ist es auch am Sonntag beim großen Landesfestzug mit 26.000 Schützen aus Nord-, Ost- sowie aus Südtirol und dem Trentino. Bis zu 100.000 Besucher, darunter auch Bundespräsident Heinz Fischer, werden erwartet.

Der Aufstand der Tiroler gegen Napoleon und die Bayern hat längst seinen richtigen Platz in der Geschichte gefunden. Hofer ist Held und Gotteskrieger, der gegen Aufklärung und für den Gottesstaat gekämpft hat, aber auch für die Freiheit. Letzteres haben sich die Tiroler Schützen auf die Fahnen geheftet.

"Los von Rom"-Transparente

Doch es ist nicht Andreas Hofer, sondern die Zeitgeschichte, die am Sonntag den großen Landesfestumzug vereinnahmt. Die Zerreißung Tirols 1919, die Unrechtsgrenze am Brenner, die zum Teil brutale Unterdrückung der deutschsprachigen Minderheit bis zum zweiten Autonomiestatut 1971, die Südtirol-Attentate in den Sechzigerjahren, die Frage der Selbstbestimmung der Südtiroler und die Vision der Europaregion Tirol als Überwindung der Brennergrenze haben die politischen Debatten der vergangenen Wochen bestimmt. Der Landesfestzug stand auf der Kippe. Politiker zögerten, weil sie anti-italienische Proteste befürchteten. Die wird es auch geben: Denn die Südtiroler Schützen werden "Los von Rom"-Transparente mitführen.

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1959 trugen sie auch eine Dornenkrone, die auf das Leid und die Trennung Tirols aufmerksam machen sollte. In Zeiten der europäischen Integration schlägt die Politik aber andere Töne an. Kooperation in der grenzüberschreitenden Europaregion Tirol lautet das Credo. Auf die Dornenkrone wollten die Südtiroler Schützen aber dennoch nicht verzichten, weshalb der Kompromiss eine mit 2009 Rosen geschmückte Krone ist - getreu dem Motto im Gedenkjahr 2009: "Geschichte trifft Zukunft."

Auch wenn die Schützen im Vorfeld kritisierten, dass der Umzug als großes Trachtenfest ohne politischen Inhalt konzipiert sei, wird er sich heute drei Stunden lang durch Innsbruck wälzen. Am Abend wird das Gedenkjahr selbst wieder Geschichte sein. Aber die Verschnaufpause ist nur kurz. Denn am 20. Februar 2010 gedenkt Tirol dem 200. Todestag von Andreas Hofer. Und wieder werden Selbstbestimmungsdebatten das historische Datum begleiten.