Noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode will Unterichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) dem Sitzenbleiben ein "Nicht genügend" erteilen, verriet sie im Politikmagazin "Hohes Haus". Im Gegenzug solle die Schule ein moderneres Kurssystem erhalten, in dem gefährdete Schüler stärker individuell unterrichtet werden sollen. Man solle den Jugendlichen "alternative Möglichkeiten" bieten, die Lernziele zu erreichen, anstatt sie "im wahrsten Sinne des Wortes zurückzuversetzen", so Claudia Schmied. Eine rein pädagogische Diskussion ist dies freilich nicht, schließlich gab die Arbeiterkammer kürzlich in eine Studie zum diesjährigen Schulbeginn bekannt, dass die Sitzenbleiber jährlich rund 888 Millionen Euro kosten – den Großteil davon tragen die Eltern.

Grüne unterstützen Vorschlag

Zum Thema

Erwartete Schützenhilfe erhält Claudia Schmied von den Grünen, die den Vorstoß einerseits begrüßen, andererseits aber eine umfassendere Schulreform einfordern. Bildungssprecher Harald Walser und Bundessprecherin Eva Glawischnig pochten einmal mehr auf die Einführung einer Gesamtschule. Deckungsgleich sind die Ansichten beim Thema Sitzenbleiben ohnehin, so bezeichnet man es als "größte Ressourcenverschwendung im Bildungssystem". Rückendeckung bekommt die Bildungsministerin auch aus der Steiermark: So sieht etwa Landesschulratspräsident Wolfgang Erlitz (SPÖ) "keinen Sinn, wenn ein Schüler aufgrund eines 'Nicht genügend' die gesamte Palette wiederholen muss."

Für Zündstoff bei der zweitägigen Regierungsklausur, die heute in Salzburg begonnen hat, ist gesorgt. Denn bei Koaltionspartner ÖVP und Lehrervertretern stößt Schmieds Vorpreschen auf Skepsis. An vorderster Front der Kritiker: Fritz Neugebauer. "Wir haben wahrlich gewichtigere Probleme im Schulwesen", beklagt sich der Zweite Nationalratspräsident und Chef der für die Lehrer zuständigen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Auch wenn man alles abschaffen wolle, werde die Schule nicht besser. In der "Presse" legt ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon nach und ist die "populistischen Schnellschüsse Schmieds" leid. Anders sieht das der ÖVP-Schulexperte Bernd Schilcher, der das Sitzenbleiben für einen "Unsinn" hält.

Am Montag meldete sich in dieser Causa auch Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) zu Wort. Schmied solle nicht ständig "mit Einzelmaßnahmen vorpreschen", bei der Bildungsreform brauche man kein "Flickwerk". Grund für das Unverständnis: Im Regierungsübereinkommen findet sich lediglich die "Reduktion" der Klassenwiederholungen, nicht die Abschaffung. Die ÖVP fordert von Schmied ein Gesamtpaket für eine Schulreform. Die FPÖ schloss sich der Kritik an. Als "eine weitere unausgegorene Idee" bezeichnete Bildungssprecher Walter Rosenkranz den Vorstoß der Unterrichtsministerin.

Lehrergewerkschaft ist verärgert

© APA

Wie bereits bei ihren gescheiterten Plänen im Frühjahr, die Unterrichtsverpflichtungen erhöhen zu wollen, hat Schmied auch einmalmehr den Ärger der Lehrervertreter und Schüler auf sich gezogen - nicht zuletzt wegen ihrer Vorgansgweise. Laut AHS-Lehrergewerkschafterin Eva Scholik sei man nicht vorzeitig in Abschaffungspläne eingeweiht gewesen. Scholik hält den Vorschlag Schmieds außerdem für zu "einseitig". Das Wiederholen einer Klasse sei für manche Schüler "sinnvoll". Mit Unverständnis reagierte am Montag auch die Schülerunion, die "mehr Konstruktivität und weniger ideologisches Scheuklappendenken" in dieser Causa fordert. Bundesobmann Oliver Möllner hält nichts von "rein populistischen Forderungen" und vermisst eine "lösungsorientierte Bildungspolitik".

Jedes Jahr müssen rund 23.000 der rund 1,2 Mio. Schüler in Österreich eine Klasse wiederholen. Ein großer Teil der Repetenten ist auch beim Absolvieren der "Ehrenrunde" nicht erfolgreich, wie eine Erhebung der Statistik Austria zeigt. Besonders schlechte Chancen auf eine Verbesserung ihrer Leistung haben Sitzenbleiber an AHS, berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) und BHS.