Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Perspektiven der ÖVP klar verbessert. Was keine große Kunst ist. Positive Einschätzungen sind relativ, weil alle Messungen anhand der kleinstmöglichen Vergleichsgrößen - einer traumatischen Wahlniederlage im Bund mit dem schlechtesten Ergebnis der Parteigeschichte, nachdem vorher mit Salzburg und der Steiermark zwei Bundesländer verloren gingen - stattfinden.

Nach dem im September 2008 kläglich gescheiterten Neuwahlabenteuer folgten Debatten, ob und mit wem die ÖVP in die Regierung gehen sollte. Die Partei war tief gespalten. Josef Pröll als neuer Parteichef hat es geschafft, dass heute weder laufende Zwischenrufe der Länderorganisationen kommen, noch ÖAAB, Wirtschafts- und Bauernbund oder Frauen-, Senioren- und Jugendorganisation der ÖVP ihre Interessengegensätze auf der Medienbühne austragen.

Nur bei der Kandidatur für den Bundespräsidenten ist den Prölls - Josef und Erwin - die Kommunikation ein wenig entglitten. Jüngste Aussagen des Steirers Hermann Schützenhofer, dass die Sache verbockt wurde, und von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der Heinz Fischer Rosen streute, erinnern an frühere Zeiten. Im Nationalratswahlkampf 2008 hatten sich Teile der ÖVP vorzeitig und ganz offen aus der Kampagne verabschiedet.

Zwei Prölls, ein SP-Dilemma

Dabei ist es für die ÖVP nahezu unmöglich, auf einen Kandidaten zu verzichten und das politische Frühjahr 2010 entweder mit Lobpreisungen des Ex-SPÖ-Politikers Fischer zu verbringen oder sich aus der Öffentlichkeit zu verabschieden. Erwin Pröll -Landeshauptmann im größten Bundesland und darüber hinaus allseits bekannt - ist jener ÖVP-Politiker, welcher entgegen den aktuellen Umfragen gegen Fischer Chancen hätte. Ob er wirklich will oder nicht, ist eine andere Frage. Zweimal Pröll wäre zudem eher ein SPÖ-Dilemma, nämlich zwei Sympathieträger angreifen zu müssen.

Prölls Kandidatur wäre freilich für die ÖVP das größtmögliche Risiko. Wird Fischer mehr oder weniger zum Wahlsieg durchgewinkt, so kann das die SPÖ nicht als ihren Triumph darstellen. Gelingt ein Sieg gegen Pröll, so macht das rote Niederlagen in Landtagswahlen vergessen. Die ÖVP hätte ungewollt die Probleme Werner Faymann gelöst.

Ansonsten gibt es für die ÖVP 2009/10 nur dankbare Wahlen. Von bescheidenen Ausgangsniveaus kann man im Verhältnis leicht zulegen, was sich entsprechend vermarkten lässt. So geschehen in Kärnten mit plus fünf Prozentpunkten und unverändert schlappen 17 Prozent, in Salzburg mit einer Verkleinerung des Rückstands zur Burgstaller-SPÖ ungeachtet eigener Stimmenverluste - eine Niederlage wurde so zum halben Erfolg -, und in der EU-Wahl als Erstplatzierter trotz historischem Tiefstand.

Das Spiel wird sich wahrscheinlich in Wien und im Burgenland, wo die SPÖ absolute

Mehrheiten zu verteidigen und die ÖVP wenig zu verlieren hat, fortsetzen. In der Steiermark darf Schützenhofer kaum von großen Gewinnen träumen, doch könnte die SPÖ viel mehr Stimmen einbüßen. Das Wechselspiel des Negativeinflusses der Kanzlerpolitik und hausgemachter Stiftungsprobleme räumt der ÖVP Chancen auf den Landeshauptmannsessel ein, ohne dass dahinter eine gigantische Eigenleistung steht.

In der Theorie sind die Strategieüberlegungen der ÖVP leicht durchschaubar. In der Nationalratswahl 2008 verlor man 150.000 Stimmen an das BZÖ. Mehr als 100.000 ÖVP-Anhänger wanderten ins Nichtwählerlager, 60.000 zu Kleinstparteien von Fritz Dinkhauser bis Heide Schmidt. Gelingt es, diese Wählerströme umzukehren, gibt es bescheidene Zuwächse und man humpelt gegen eine noch mehr hinkende SPÖ, die massiv Wähler an die FPÖ verliert, auf den ersten Platz.

Doch haben die Überlegungen der ÖVP ein paar Schönheitsfehler. Das BZÖ ohne Jörg Haider ist auf Bundesebene geschwächt, wird jedoch nicht von der Bildfläche verschwinden. Es ist auch nicht gesagt, dass die rechte Partei FPÖ der Mitte Rechts-Partei ÖVP nicht mehr Stimmen wegnehmen kann. Derzeit punktet Josef Pröll zudem mit der Wirtschaftskompetenz, ab spätestens 2011 wird er parallel dazu Sparbudgets kommunizieren müssen. Da können alte Parteischwächen von Pensionen über Beamte bis Sozialpolitik zutage treten.

Immerhin beginnt die ÖVP ihre Personalprobleme zu lösen. Der letzte Teil der Ära Wolfgang Schüssels und die Zeit Molterers waren dadurch geprägt, dass die Partei mit Ausnahme der außen- statt innenpolitischen Ursula Plassnik kein weibliches Gesicht, keine Persönlichkeit als soziales Gewissen und generell niemand als Symbol für frischen Wind zeigte.

Schwachstellen bleiben

Noch ist das im Aufbau, doch versuchen Beatrix Karl als Arbeitnehmervertreterin und Christine Marek als Staatssekretärin Angestellte zurückzuholen, die sich von der ÖVP abgewandt haben. Der Typus Fritz Neugebauer hatte Beamte als Klientel erreicht, Frauen und Beschäftigte in der Privatwirtschaft nicht. Neben Josef Pröll kommt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner auf gute Sympathie- und Vertrauenswerte. Innenministerin Maria Fekter polarisiert, spricht jedoch Zielgruppen an, die von der Partei eine Law and Order-Politik erwarten.

Einige Schwachstellen bleiben. Der am stärksten wachsende Bevölkerungsanteil sind eingebürgerte Zuwanderer. Da liegt die ÖVP bei 15 Prozent. Sich darauf zu verlassen, dass diese Gruppe seltener zur Wahl geht als geborene Österreicher, kann keine Langzeitstrategie sein. Nicht-Katholiken stimmen ebenfalls zu nur einem Sechstel für die ÖVP, welche unter den Katholiken bloß Kirchgänger überdurchschnittlich anspricht. Die werden weniger, so dass aus strategischer Sicht die Grundsatzfrage christlicher Werte und liberaler Offenheit ungelöst ist.