Von Wahlkampf zu Wahlkampf zeigen sich meistens respektable Behalteraten sicherer und früh entschlossener Anhänger. Doch regelmäßig schaffen es die Grünen nicht, auch spät- und letztentschlossene Wähler auf ihre Seite zu holen. Ausgerechnet die Erzrivalen FPÖ und BZÖ legen oft in den Schlusswochen vor Wahlen gewaltig zu, im Verhältnis dazu stürzen die Grünen ab.

Dabei verfügen sie mit Eva Glawischnig über eine Frontfrau mit guten Sympathie- und Vertrauenswerten. Das Problem ist die zweite und dritte Reihe, welche trotz altbekannter Gesichter bis auf wenige Ausnahmen null zusätzliche Wählerstimmen bringt. Maria Vassilakou als aktuelle Vertreterin Glawischnigs wirkt in Wien innerhalb des Gürtels - also in eher bürgerlichen Milieus -, andere wirken nirgendwo. Die Grünen als ursprüngliche Teampartei verfügen momentan über kein solches mit Breitenwirkung. Alexander van der Bellen als langjähriger Strahlemann löste offenbar zu große Bequemlichkeit aus. Führungsdebatten sind zudem absurd, weil es keine Alternativen zu Glawischnig gibt.

Negative Spirale

Ein Beispiel: Ulrike Lunacek war zu Beginn des EU-Wahlkampfs zwei Drittel der Wähler nicht einmal namentlich bekannt. Bei kaum mehr als einem Zehntel hatte sie auch nur ansatzweise ein Imageprofil mit Ecken und Kanten. Sie war quasi eine Spitzenkandidatin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Selbst unter den Grün-Wählern nannten sie nur 10 Prozent als Wahlmotiv. Zum Vergleich: Van der Bellen erreichte da in der Nationalratswahl Nennungen von rund 60 Prozent. Ähnlich Lunacek ist etwa der steirische Spitzenkandidat Werner Kogler als Sachpolitiker anerkannt, jedoch noch ohne die Massen zu begeistern.

Nicht nur bei der Wahl zum EU-Parlament- - und weil Johannes Voggenhuber zwischen Querdenker und Querschläger schwankt -, sind die Grünen 2008/09 durch mittelmäßige bis mäßige Ergebnisse plus kommunikatives Selbstverschulden in eine Negativspirale der öffentlichen Wahrnehmung geraten. Teilweise wurden zu hohe Erwartungen hinausposaunt, um später kleinlaut den Spott der Konkurrenten aushalten zu müssen. Dabei konnte in Niederösterreich und Kärnten der Super-GAU, aufgrund des - frei nach Parteilegende Alexander van der Bellen - größten anzunehmenden Unsinns aus dem Landtag zu fliegen, mit Mühe und Not verhindert werden.

Neben den Personen zeigt sich für die Grünen ungeachtet ihres kompetenten Images ein Themenproblem. Umwelt, Bildung, Soziales und Frauen sind traditionelle Stärken, doch bei Schulfragen kommen sie mittlerweile nicht vor. Die Umwelt geht in der Wirtschaftskrise unter, welche SPÖ und ÖVP zudem für eine Besetzung der Sozialthemen nutzen. Für den populistischen Gegenwind sorgt die FPÖ, während grüne Wortmeldungen abstrakt und theoretisch klingen. Bleibt die Frauenpolitik als Pluspunkt, doch geht es wahlbezogen dabei nicht um gesellschaftspolitische Fragen, sondern darum, was konkret eine alleinerziehende Angestellte mit geringem Einkommen von den Grünen hat. Diese erwecken nicht den Eindruck, als wären sie in deren Lebenswelt angekommen. Die Konsequenz daraus: Sogar bei der eigenen Klientel sagt bestenfalls noch die Hälfte, wegen der Themenkompetenz grün zu wählen.

Zu mittelprächtig

Keine Partei hat gerne ein Verliererimage, doch die Grünen müssen besonders bemüht sein, als im Aufwärtstrend und auf dem Weg in die Regierung zu gelten. Von der sozialen Bewegung erst nach vielen internen Klärungen zur politischen (Parlaments)-Partei geworden, wurde zuletzt die Grundsatzentscheidung getroffen, mitregieren zu wollen. Das ist unumkehrbar, also muss etwas daraus werden.

Derzeit liegt man dafür bei allen Wählergruppen zu mittelprächtig. Junge und Frauen wählen häufiger grün, doch ist man von echten Spitzenwerten weit entfernt. Ältere Menschen als größte Wählergruppe wurden nie wirklich angesprochen. Sogar bei Wählern mit Migrationshintergrund ist der Zuspruch durchwachsen.

Das Signal, sowohl rechnerisch als auch inhaltlich regierungsfähig zu sein, ist bei den Grünen von enormer Bedeutung, weil unter ihren Anhängern das Top-Wahlmotiv. Viele sind Grünwähler, um Rot-Grün oder Schwarz-Grün zu ermöglichen. Oder um jedwede Koalitionsvariante mit FPÖ oder BZÖ zu erschweren. Ist beides unrealistisch, so wird es für die Grünen gefährlich: Stimmen aus purer Sympathie und ohne sich etwas Greifbares davon erhoffen zu können, das wird nicht reichen.

Wunschszenario

Was ändert sich bei der Gesetzgebung, wenn ich die Grünen wähle? Gibt es darauf keine glaubhafte Antwort, freuen sich SPÖ und/oder ÖVP über einen Rückgewinn der Wechselwähler. Die puren Protestwähler holt sich ohnehin die FPÖ ab.

Somit werden die Landtagswahlen in Oberösterreich am 27. September 2009 und in Wien 2010 zu grünen Schicksalswahlen. Dort muss es gelingen, eine Regierungsbeteiligung zu erreichen. Kann der oberösterreichische Grünen-Chef Rudolf Anschober mit einem knapp zweistelligen Ergebnis seinen Regierungssitz zu halten, so wird Landeshauptmann Pühringer vermutlich die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen. Im Wunschszenario der Grünen verliert ein Jahr später die Wiener SPÖ ihre absolute Mehrheit, und sucht sich Maria Vassilakou & Co als neue Partner. So könnte man die Mühen der Ebene bis zur Nationalratswahl 2013 überwinden. Anderenfalls drohen in den wahllosen Jahren 2011 und 2012 mangelnde Motivation in den eigenen Reihen, objektive Bedeutungslosigkeit und vielleicht gar Zerfallserscheinungen.

Peter Filzmaier ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems. Als Gesellschafter des Instituts für Strategieanalysen (ISA) koordiniert er für die Uni for Life-Weiterbildung an der Universität Graz am 12. /13. November 2009 die Akademie Brain and the City - Politik und Medien: http://strategieanalysen.at/brain