Damals, vor mittlerweile mehr als drei Monaten, war Riccardo Pollice einfach nur froh, dass er sein Leben gerettet hat. Es war der 7. April, er saß in einem blauen Zelt des italienischen Zivilschutzes, um ihn herum seine Eltern, ein Onkel, eine Tante. Sie hatten das Erdbeben überlebt, alles andere, so hofften sie, würde sich dann schon finden. Erstmal waren sie sicher.

Zermürbt. Am Mittwoch war ein anderer Riccardo Pollice am Telefon, nicht mehr unter Schock, aber zermürbt. Kaum sagt man "ciao" und "wie geht's", legt er mit trauriger Stimme los: "Ich werde wahrscheinlich die Arbeit verlieren, meine Firma will den Call-Center in L'Aquila aufgeben." Unmittelbar nach dem Erdbeben hatte die Firma noch gesagt, sobald das Gebäude wieder sicher sei, sollten alle 470 Beschäftigten wieder zur Arbeit kommen. "Viele Kollegen sind nach Rom zum demonstrieren gefahren", sagt Riccardo. Auch andere Unternehmen in L'Aquila, so sagt er, machen dicht, ein großer Coop, ein Möbelcenter: "Es gibt zu wenig Kunden," meint er. Zum Demonstrieren ist er nicht gefahren. Er ist in seinem vorläufigen Zuhause geblieben, einem Hotelzimmer im Örtchen Monticchio.

Besänftigung. Riccardo Pollices Schicksal ist genau das, was eigentlich nicht eintreten sollte, nach dem Erdbeben. Es gab schnelle Hilfe, und Ministerpräsident Silvio Berlusconi versprach, mit Bauarbeiterhelm auf dem Kopf, einen raschen Wiederaufbau. Wie schnell dieser ist, kommt auf die Sichtweise an. Die Regierung gibt laufend Zahlen heraus, die Unmut besänftigen sollen: Kürzlich beschloss das Parlament mit 1,2 Milliarden Euro allein heuer den Wiederaufbau zu finanzieren. Die Opposition dagegen erzählt von Hotelbesitzern, welche bei ihnen untergebrachte Erdbebenopfer fortschicken, da der Staat die Zimmer nicht zahle.

Milde Gaben. Silvio Berlusconi hatte sich selbst nach dem Erdbeben unter Druck gesetzt als er verkündete, der G8-Gipfel solle in L'Aquila stattfinden, auf dass die Mächtigen der Welt milde Gaben hinterlassen. Die Begeisterung über eine Tagung im Erdbebengebiet hielt sich in diplomatischen Kreisen in engen Grenzen. Immerhin rumpelte die Erde in L'Aquila erst am Freitag wieder - mit der beachtlichen Stärke von 4,1.

Erdbebensichere Kaserne. "Alles kein Problem", meint die Regierung - die Kaserne, in der das Treffen stattfindet, sei erdbebensicher, und käme doch ein starkes Beben, so stünden Hubschrauber bereit, um Obama, Merkel, Sarkozy und die anderen schnell wegzufliegen.