Wer es sich in Schweden derzeit leisten kann - und das können viele der rund neun Millionen Untertanen von König Carl XVI Gustaf und Königin Silvia - genießt gerade der Sommerurlaub an einem der Zehntausenden Seen, auf unzähligen Inseln der Nord- und Ostsee oder in der Einsamkeit Lapplands. Jenes mächtige Hoch über Skandinavien, das uns hierzulande eine Regen-Flut nach der anderen beschert, heizt den kühlen Nordländern mächtig ein. Temperaturen bis zu 30 Grad und taghelle Nächte sind derzeit schwedischer Alltag. Den meteorologischen "Elchtest" besteht Schweden also problemlos. Aber wie sieht es am Beginn des EU-Vorsitzes sonst aus mit dem "schwedischen Modell", diesem angeblichen Musterwohlfahrtsstaat, den sich Mitteleuropas große Sozialdemokraten Bruno Kreisky und Willy Brandt in den 70er-Jahren zum Vorbild genommen haben. Dazu 7 Fragen:

1.Bewältigt Schweden die Krise besser als andere Staaten? Die Staatskasse ist prall gefüllt nach Jahren des wirtschaftlichen Booms - zumindest im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern. Die bürgerliche Vierparteienkoalition des rechtsliberalen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt bewältigte schon einmal, in den 90er Jahren, eine schlimme Wirtschaftskrise durch Banken-Rettungsaktionen. Damals war der schwedische Immobilienmarkt völlig zusammengebrochen. Das schwedische Modell galt im vergangenen Herbst sogar für die US-Regierung als Vorbild, als sie den schwedischen Außenminister Carl Bildt, der damals Regierungschef war, nach Washington einluden, um zu hören, wie man Banken rettet und als Staat sein Geld trotzdem zurückbekommt.

2.Steigt auch in Schweden die Arbeitslosigkeit? Die erfolgreiche Konsolidierung des Staatshaushalts, den die 2006 abgelösten Sozialdemokraten hinterlassen haben, hat der Regierung Luft verschafft. Vor allem in Stockholm sind die Arbeitslosenraten gering. Andernorts, etwa in den Autowerkshallen von Volvo und Saab in Süd- und West-Schweden sieht die Lage um einiges düsterer aus. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei neun Prozent, ein Jahr zuvor waren es nur 5,9 Prozent.

3.Sind die Steuern in Schweden tatsächlich viel höher als in Österreich? Innerhalb der EU köpft nur Nachbar Dänemark seinen Bürgern mehr Steuern ab. 48 Prozent der Wirtschaftsleistung fließen zurück in die Staatskasse, in Österreich "nur" 41.

4.Müssen die Schweden wirklich mehr arbeiten wie wir? Ja. 70 Prozent aller 55- bis 64jährigen stehen noch im Erwerbsleben. Hierzulande ist es nur jeder Dritte in dieser Altersgruppe. Das hat allerdings auch pragmatische Gründe: Wer früh in Pension geht, nimmt hohe Abzüge in Kauf. Wer mit 60 geht verliert gut 30 Prozent seiner Bezüge, wer erst mit 70 geht, bekommt um fast 60 Prozent mehr. Frühpensionen oder Invalidität sind daher selten ein Grund, in Pension zu gehen?

5.Geben die Schweden wirklich so viel Geld für die bewaffne Neutralität aus? Ja. Schweden besitzt eine schlagkräftige, moderne Armee und leistet sich dazu den ungeheuren Luxus einer eigenen Flugzeug-Industrie. Die Schweden geben mit fast 500 Euro pro Kopf doppelt so viel für die Landesverteidigung aus wie die Österreicher.

6.Hält Schweden an seiner Währung, der Krone, fest? Vorerst ja. Schweden ist das einzige "alte" EU-Land, das nicht der Euro-Zone angehört, obwohl es dazu eigentlich gar kein Recht mehr hätte. Denn nur Großbritannien und Dänemark haben sich im Vertrag von Maastricht das Recht ausbedungen, der Einheitswährung fern zu bleiben. Schweden müsste den Euro übernehmen, sobald die wirtschaftlichen Kriterien erfüllt sind - und das sind sie. Aber ihre Insel-Mentalität macht die Mehrzahl der Schweden zu Krone-Fans. Noch hat keine Regierung ein Euro-Referendum gewagt.

7. Stehen die Schweden auch zum Königshaus? Nur die Parteien am linken Rand des politischen Spektrums sind für die Abschaffung der Monarchie - maximal ein Drittel der Schweden. Sie halten eben auf ihre Traditionen, die Vorfahren der alten Wikinger, und setzen in vielen Bereichen auf die ihnen in aller Welt zugeschriebenen Tugenden - ein wenig im Stil jenes Möbelkonzerns, der zu den bekanntesten zählt: auf bescheidene Einfachheit. Und sie selbst sehen sich gern so, wie es dieser Tage eine spanische Zeitung im Hinblick auf die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vorstellte: "Solide und verlässlich wie Schwedenstahl." Kling gut - aber nur fast. Denn Autos aus Schweden-Stahl sind heute kein Stolz mehr der schwedischen Industrie. Volvo gehört längst schon zu Ford und die Traditionsmarke Saab muss von einer Kleinwagen-Firma vor dem totalen Zusammenbruch gerettet werden. Dennoch: Der "Elchtest" ist nach wie vor ein Synonym für Qualität. Und den wird Schweden wohl auch als EU-Ratspräsidentschaft deutlich besser absolvieren als zuvor die Schwejk-haften Tschechen.