Polen wählt am Sonntag einen Präsidenten und eins steht jetzt schon fest - egal, wie sich die 30 Millionen polnischen Wahlberechtigten entscheiden werden: Es war der ungewöhnlichste Präsidentenwahlkampf, den das Land nach dem Niedergang des Kommunismus vor 20 Jahren gesehen hat. "Diese Wahlen werden in die Geschichte eingehen", stellte die konservative Zeitung "Polska" pathetisch fest.

Der Grund: Die Kampagne wird gleich von zwei nationalen Tragödien überschattet und findet deswegen von den Wählern weitgehend unbeachtet statt. Präsident Lech Kaczynski war Anfang April zusammen mit vielen Vertretern des Staates beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Der Urnengang, der eigentlich für den Herbst vorgesehen war, musste im Eiltempo vorgezogen werden. Gerade zwei Monate hatten die zehn Kandidaten Zeit, um sich vorzubereiten.

Stimmung gedrückt

Darüber hinaus erlebte das Land kurz darauf gleich zwei riesige Flutwellen an Oder und Weichsel, die besonders im Süden dramatische Schäden anrichteten. Das Land stand vor dem Ausnahmezustand - hätte die liberale Regierung um Premier Donald Tusk ihn ausgerufen, hätten auch diese vorgezogenen Wahlen wieder verschoben werden müssen. Das drückte die Stimmung noch weiter und raubte den Kandidaten die Themen.

Deswegen fassten sich die beiden wichtigsten Anwärter, der liberale Bronislaw Komorowski und der nationalkonservative Jaroslaw Kaczynski, mit Samthandschuhen an. "Sie haben erkannt, dass sich vor dem Hintergrund Streitsucht nicht auszahlt", sagt Politikwissenschaftler Kazimierz Kik. Das nahm dem Wahlkampf den Reiz. Alle Kontrahenten betonten lediglich mit jeweils anderen Worten, wie wichtig derzeit die nationale Eintracht sei.

Viele Polen sind wegen der harten Zeit noch weniger als sonst an Politik interessiert. Sie an die Urnen zu bringen, war schon immer keine leichte Aufgabe. Eine Wahlbeteiligung von mehr als 40 Prozent gilt als normal. "Hier ist eine Katastrophe, und ich soll an Wahlen denken", ereifert sich der 27-jährige Marcin Nowak aus Sandomierz. Die 25.000-Einwohner-Stadt im Süden hatte es besonders schlimm erwischt. Die Welle hat viele in existenzielle Nöte gerissen. "Ich weiß, dass keiner meiner Bekannten da hingehen wird." Es sei ihm schon peinlich, wie sehr die Kandidaten ihr Interesse heuchelten. Diese besondere Ignoranz vieler Wähler ist ein Makel, mit dem das neue Staatsoberhaupt wird leben müssen. Auch in dieser Hinsicht dürfen die Wahlen historisch sein.