Wie ernst ist die finanzielle Lage im Gesundheitsbereich?

JOSEF MOSER: Es geht darum, dass wir im Gesundheits- und Pflegebereich Kostensteigerungen gehabt haben und haben. Aufgrund der Demografie ist zu erwarten, dass die Ausgaben in nächster Zeit stark ansteigen. Bei der Pflege ist bis 2030 nahezu mit einer Verdoppelung zu rechnen. Man muss jetzt Maßnahmen setzen, damit eine nachhaltige Versorgung gesichert ist.

Es heißt immer, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt. Muss man da nicht Defizite und Schulden in Kauf nehmen?

MOSER: Es gibt viel Ineffizienz im System! Nehmen Sie die Pflege: Geldmittel und Versorgung kommen nicht in optimaler Weise zu den Pflegebedürftigen. Wir haben 23 Entscheidungsträger, 280 Stellen, die mit administrativer Abwicklung beschäftigt sind, unterschiedliche Einstufungen, teils überlange Verfahren. Zu sagen, dass alles bestens ist, ist - wie diese Beispiele zeigen - sicher nicht gerechtfertigt.

Müssen Spitäler geschlossen werden?

MOSER: Darauf kann man die Diskussion nicht reduzieren. Es geht darum, dass man sich das gesamte System anschaut, die Spitäler, den niedergelassenen Bereich und die Pflege. Im Spitalsbereich sind wir überversorgt. Auch muss berücksichtigt werden, dass die optimale Betriebsgröße bei 200 bis 300 Betten beginnt. Bei kleineren Spitälern gibt es Kostennachteile.

Kleinere Spitäler sind zu teuer, also doch schließen?

MOSER: Man darf die Versorgung nicht nach Standorten, sondern nach den Bedürfnissen der Patienten ausrichten. Es gibt auch Spitäler, wo die Kostennachteile gerechtfertigt sind, etwa das St.-Anna-Kinderspital.

Woran krankt das ganze System?

MOSER: Ein wichtiges Prinzip ist nicht verwirklicht: Geld folgt Leistung. Auch sind die Zuständigkeiten zersplittert. Krankenhaus, niedergelassener Bereich, Pflege haben denselben "Kundenkreis", vernetzen sich aber nicht. Die Leistungen werden von einem Bereich in den anderen verschoben, um Kosten zu verlagern, aber nicht um Qualität für den Patienten zu erhöhen.

Bei den Kassen explodieren die Kosten, machen Sie sich Sorgen?

MOSER: Wenn man sich das Gebarungsergebnis von 2010 anschaut, zeigt sich, dass man bei den Kassen trotz zusätzlicher Mittel von 100 Millionen aus dem Strukturfonds und den bereits umgesetzten Maßnahmen einen Bilanzverlust von 76,8 Millionen prognostiziert. 2012 sind wir dann bei 356 Millionen Euro angelangt. Von einer Sanierung der Kassen kann keine Rede sein. Die Strukturen führen zur Ineffizienz. Es muss endlich die Zersplitterung der Krankenversicherungsträger beseitigt werden.

Warum tut sich die Politik da so schwer?

MOSER: Es gibt überall gewachsene historische Strukturen. Diese Strukturen müssen aufgebrochen werden. Einige befürchten Nachteile. Wir müssen klarmachen, dass die Vorteile der Reform größer sind als die Nachteile der Veränderung.

Mit diesem Argument meinen Sie, die Bevölkerung überzeugen zu können?

MOSER: Das Hauptargument ist: Wir haben in vielen Bereichen eine gute Versorgung, aber der Input, mit dem wir die Leistungen finanzieren, entspricht nicht dem Output. Bei der Bildung stecken wir viel hinein, aber die Ergebnisse sind höchstens durchschnittlich. Eine Verwaltungsreform bedeutet nicht weniger, sondern ein besseres und gleichzeitig ein effizienteres Handeln.