Die neue britische Regierung legt ein Tempo vor, bei dem manchen Hinterbänklern schwindlig wird. So sahen Tory-Euroskeptiker mit Befremden, wie sich die Regierung als konstruktiver Partner in Europa anbietet. Antiamerikanische Liberaldemokraten dagegen registrierten zähneknirschend, wie Außenminister William Hague stracks nach Washington flog und sich dort in Fragen von Iran bis Afghanistan als treuer Bündnispartner anbot. Premier David Cameron will am Donnerstag mit Antrittsbesuchen in Paris und Berlin frostige Skepsis auftauen. Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy machten aus ihrer Empörung kein Hehl, als Camerons Tories vor zwei Jahren aus der Fraktion der Christdemokratischen Zentrumsparteien, EVP, im Europaparlament auszogen, weil sie ihnen zu "föderalistisch" waren. Noch im April weigerte Merkel sich, Cameron in London zu treffen.

Zuletzt war es aber die scheidende Labourregierung, die mit ihrer Weigerung, bei der Euro-Rettungsaktion mitzumachen, Zorn auslöste. Der frühere französische Europaminister und Chef der französischen Finanzmarktregulierung, Jean-Pierre Jouyet, warnte, die Briten würden es schon merken, wenn das Pfund unter Druck komme und sie dann allein dastünden.

Britische Charmeoffensive

Nun wollen ausgerechnet die Euroskeptiker der Tories für schöneres Wetter sorgen. Agrarminister in Brüssel waren überrascht, wie charmant Umweltministerin Caroline Spelman auftrat. Als es bei den Finanzministern um die Regulierung der Hedgefonds ging, zeigte Schatzkanzler George Osborne seine reizende Seite. "Ich kam als Erster und ging als Letzter, um allen zu zeigen, dass die neue Regierung in Europa für das arbeiten will, was im gemeinsamen Interesse ist." Statt wie erwartet einen unproduktiven Krach gegen die Direktive zu schlagen, die als protektionistische Attacke auf das Finanzmarktzentrum London gilt, begnügte sich Osborne, die Vorbehalte im Protokoll notieren zu lassen - und ließ ein Hintertürchen für Nachverhandlungen offen. Cameron dürfte den Faden in Paris und Berlin aufnehmen.

Cameron will sein Pulver trocken halten für die wichtigste Auseinandersetzung - die Verhandlungen um das EU-Budget und den britischen EU-Rabatt. Osborne warnte schon, die von der EU-Kommission geforderte Sechs-Prozent-Erhöhung komme angesichts der Schuldenkrise nicht infrage.

Auch innenpolitisch macht die Koalition Tempo. Osborne hob ein unabhängiges "Amt für Haushaltsverantwortung" aus der Taufe. Es soll die Haushaltslage objektiv analysieren und in Zukunft unabhängige Wachstumsprognosen geben. "Wir werden den Haushalt an den Zahlen, nicht die Zahlen am Haushalt ausrichten", so Osborne.

Vizepremier Nick Clegg versprach, "dem Staat weniger Kontrolle über die Bürger und den Bürgern mehr Kontrolle über den Staat" zu geben. Er bat um Vorschläge, welche der "aufdringlichen" Labour-Gesetze abgeschafft werden sollen, hatte aber schon eine Liste parat. Sie geht von der verhassten Einführung einer Ausweispflicht bis zum vor allem Komikern verhassten Verbot, Religion zu kritisieren.