Premier David Cameron drohte seinen "EU-Kollegen" in der "Times" mit einem Veto, wenn die Beschlüsse über Vertragsänderungen beim Gipfel in Brüssel "unsere Interessen nicht wahren". Im Unterhaus versprach er, mit der Zähigkeit einer Bulldoggen für Großbritanniens Rechte zu kämpfen.

Was in europäischen Ohren drohend klingt, ist für britische Euroskeptiker aber nur Theaterdonner. Für sie formulierte Cameron nicht einmal das Minimum, dass er bringen muss, wenn er nach dem EU-Gipfel keine massive Parteirevolte riskieren will. Seit der Premier am Wochenende ein Referendum über neue EU-Verträge ausschloss, wachsen Widerspruch in seiner Partei und Attacken der euroskeptischen Presse. Am Dienstag rief er die BBC in die Downing Street, damit die neue harte Linie noch in den Spätnachrichten verkündet werden konnte. Doch am Mittwoch wiederholten führende Torys wie der Londoner Bürgermeister Boris Johnson die Forderung nach einem Referendum. Es sei "unvermeidlich" wenn sich in der EU eine Fiskalunion bilde.

Cameron fordert nun eine "Britengarantie" und "Regeln, damit der einheitliche Markt fair und offen bleibt für britische Schlüsselindustrien, einschließlich der Finanzdienstleistungen". Großbritanniens größte Furcht sind Attacken auf die Londoner City, wie sie die Franzosen gerne vorschlagen. Die City erwirtschaftet elf Prozent des britischen Steueraufkommens. Cameron betonte ihre Bedeutung für die gesamte europäische Wirtschaft. Euroskeptiker waren aber nicht beeindruckt. Ein Vetorecht gegen eine Finanztransaktionssteuer steht den Briten bereits zu.

Rote Linien Binnenmarkt

Die rote Linie Camerons ist der Schutz des Binnenmarkts, der für die Briten der Daseinszweck der EU ist. Im gemeinsamen, offenen und liberalisierten Markt, nicht im Euro, sehen sie die Grundlage europäischer Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb pocht Cameron auf eine Lösung der 27, bei der alle Mitglieder eine Aufsichtsrolle behalten würden. Cameron warnte jene, die mit einer Vertragslösung nur für die 17 Euroländer liebäugeln: "Die Institutionen der EU gehören allen". Im Klartext: Großbritannien würde der EU-Kommission nicht ohne klare Garantien für den Binnenmarkt erlauben, die Defizite der Eurozone zu kontrollieren.

"Je mehr die Länder der Eurozone wollen, desto mehr werden wir im Gegenzug fordern", versprach Cameron dem Unterhaus. Er muss konträre Interessen ausbalancieren: Einerseits brauchen die Briten eine schnelle Lösung der Euro-Krise, die ihre Wirtschaft belastet. Andererseits hat die Schuldenkrise für die britischen Euroskeptiker das EU-Fass zum Überlaufen gebracht. Sie wollen Vertragsverhandlungen nun dazu nutzen, die Beziehung Großbritanniens mit der EU neu zu definieren. Ihre Minimalforderung ist die "Repatriierung" von Regulierungskompetenz für Arbeitszeit und Leiharbeiter, Immigration und Fischerei.

Cameron ist mit seiner Koalitionsregierung zwischen europafreundliche Liberaldemokraten und seiner euroskeptische Partei eingezwängt. Die Stimmverhältnisse im Unterhaus stehen gegen ihn. Wenn Cameron aus Brüssel zu wenig zurückbringt, haben seine Hinterbänkler nicht nur die nötigen Stimmen, sondern auch die nötige Wut, seine Mehrheit aufs Spiel zu setzen.

Brief von "Merkozy" an EU

Unterdessen haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ihre Vorschläge zur Verankerung strengerer Euro-Stabilitätsregeln am Mittwoch auch offiziell an die EU übermittelt. "Wir sind überzeugt, dass wir unverzüglich handeln müssen", heißt es im Brief der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Darin wird bekräftigt, dass beim Gipfel Entscheidungen getroffen werden müssten, "damit die neuen vertraglichen Bestimmungen im März 2012 vorliegen".

Merkel und Sarkozy hatten ihre Vorschläge bereits bei ihrem Treffen in Paris skizziert. Angestrebt werden "Regeln für einen ausgeglichenen Haushalt durch jeden Mitgliedstaat der Eurozone, welche die Ziele und Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in die nationale Gesetzgebung übertragen, auf Ebene der Verfassung oder auf einer gleichwertigen Ebene".