Für die Ägypter ist diese Parlamentswahl die erste demokratische Prüfung, die sie nach dem Abgang von Präsident Hosni Mubarak zu bestehen haben. Bisher haben sie den Test, der sich noch bis Mitte Jänner hinziehen wird, mit Bravour bewältigt. Zwar lief auch an den ersten beiden Wahltagen nicht alles so, wie man es in einem Handbuch der demokratischen Praxis finden würde. Doch die meisten Zwischenfälle waren der landesüblichen Bürokratie und dem Schlendrian geschuldet, den jeder kennt, der schon einmal in Ägypten eine Behörde aufgesucht hat.

Anders als bei früheren Wahlen, wo die Wähler oft hilflos von einem Wahllokal zum nächsten gelaufen waren, fanden diesmal fast alle auf Anhieb ihre Namen auf den Listen der Wahlleiter in ihrem Wohnbezirk. Die Entscheidung, die Abstimmung in drei Phasen und an jeweils zwei Tagen abzuhalten, erwies sich als sinnvoll, weil der Andrang vor den Wahllokalen so groß war, dass gar nicht alle Wähler an einem Tag hätten abgefertigt werden können. Die Präsenz der Armee auf den Straßen schreckte potenzielle Störenfriede ab. Es blieb friedlich.

Der Nachrichtensender Al-Arabiya kürte schon vor der Schließung der Wahllokale "die Partei der Couch" zum Sieger dieser Parlamentswahl. So nennt man in Ägypten die schweigende Mehrheit, die in den Tagen der "Revolution des 25. Jänner" nicht auf die Straße gegangen war, um den Rücktritt Mubaraks zu fordern.

Muslimbrüder als Wahlsieger erwartet

Die meisten ägyptischen Kommentatoren erwarten, dass viele Mitglieder dieser "Sofa-Fraktion" ihre Stimme der Partei der Muslimbrüder geben werden. Denn erstens bietet sich die Religion in einer Phase des Umbruchs als Orientierungspunkt an. Zweitens glauben die Ägypter bei den Muslimbrüdern zumindest zu wissen, was sie von ihnen zu erwarten haben. "Das, was du kennst, ist besser als das, was du nicht kennst", lautet ein bekanntes ägyptisches Sprichwort.

Neben den Muslimbrüdern wird auch der Oberste Militärrat, der nach dem Sturz von Mubarak die Macht übernommen hatte, von dem reibungslosen Ablauf dieses ersten Wahlganges profitieren. Denn die Generäle waren in den vergangenen Wochen von Menschenrechtlern und Jung-Revolutionären wegen ihrer "Methoden aus der Mubarak-Zeit" kritisiert und zum Teil auch angefeindet worden. Trotzdem könnte es nach Einschätzung der Kritiker des Militärrates jederzeit wieder zu Gewalt auf den Straßen kommen, falls es weitere Verzögerungen bei der Übergabe der Macht an eine zivile Regierung geben sollte.

Das Blutvergießen der vergangenen Monate hätte vermieden werden können, wenn der Militärrat von Anfang an einen klaren Zeitplan für den Wandel vorgelegt hätte, argumentiert der Publizist Fahmy al-Howaidy. Und auch ob der politische Prozess mit Erfolg fortgesetzt werden könne, hänge alleine davon ab, ob die Generäle nun alle ihre Versprechen für eine Machtübergabe bis zum Sommer einhielten, schreibt er in der ägyptischen Zeitung "Al-Shorouk". Sein Kommentar zur Wahl: "Vielleicht wissen wir noch nicht, wohin wir gehen werden, aber wenigstens wissen wir jetzt, wo wir stehen."