Trocken, rigoros und regeltreu: Der Wirtschaftsexperte Mario Monti wirkt in seinem Äußeren und seinem Verhalten recht unitalienisch. Der Lombarde mit britischem Stil, der zehn Jahre lang das Amt eines EU-Kommissars bekleidete, wird die Führung einer Notstandsregierung übernehmen, die Italien vor der Pleite retten soll. Er soll eine neue Seite nach der langen Ära von Silvio Berlusconi aufschlagen. Mit ihm soll in Italien eine neue Epoche beginnen

Obwohl sie die selben lombardischen Wurzeln haben, könnten Monti und Berlusconi nicht unterschiedlicher sein. Während der TV-Tycoon und Großunternehmer mediengewandt und protzig auftritt, scheut der 68-jährige Monti eher das Rampenlicht und arbeitet lieber hinter den Kulissen. Während Berlusconi traumhafte Villen, blutjunge Frauen und schwindelerregenden Reichtum zur Schau stellt, wirkt Monti mit seinem akkurat gezogenen Scheitel, dem feinen Stecktuch im Sakko und den guten Manieren eher wie ein distinguierter Gutsherr vergangener Zeiten. Doch sein zurückhaltendes Auftreten und die ruhige Art täuschen leicht über die Härte hinweg, mit der der Wirtschaftsexperte seine Anliegen durchsetzt, ohne Konfrontationen zu fürchten.

Strenge und Kohärenz hat Monti vor allem in seinen Jahren in Brüssel bewiesen. In seiner Funktion als EU-Wettbewerbskommissar scheute sich der Italiener nicht, gegen Kartelle und Preisabsprachen, Großfusionen und unbegründete Staatshilfen zu Felde zu ziehen. Dass er sich dabei EU-Regierungen sowie Kolosse wie Bill Gates' Microsoft und Volkswagen zu Gegnern machte, kümmerte ihn wenig. "Gute Wettbewerbspolitik tut weh, sonst ist sie nichts wert", pflegte Monti zu sagen.

Monti, am 19. März 1943 als Sohn eines Bankiers in Varese geboren, schlug nach dem Studium der Ökonomie die wissenschaftliche Laufbahn ein. Er promovierte an der elitären Mailänder Wirtschaftsuniversität "Luigi Bocconi" zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften und absolvierte ein Postgraduierten-Studium an der Yale University in den Vereinigten Staaten. Monti war Professor an den Universitäten Mailand, Trient und Turin. 1989 bis 1994 war er Rektor der Bocconi-Universität und dann bis 1999 deren Präsident. Dabei machte er sich als einer der profiliertesten Wirtschaftsexperten Italiens einen Namen, mehrfach war er auch für Ministerämter im Gespräch. 1995 wurde der überzeugte Europäer Mitglied der EU-Kommission und war dort bisher für Binnenmarkt und Steuern zuständig.

Als Monti im Herbst 1999 Nachfolger des Belgiers Karel Van Miert wurde und das Wettbewerbsressort der EU-Behörde übernahm, hatte er bereits große Erfahrung als Kommissar für den Binnenmarkt und die Finanzdienstleistungen gesammelt. Schon damals fiel er durch Hartnäckigkeit auf. Er ließ sich nur durch der Sache und dem Wettbewerb nützliche Argumente beeindrucken; politisch-taktische Verhandlungen mit den großen Interessengruppen prallten an ihm ab.

Nicht konfliktscheu

Als EU-Kommissar scheute er sich auch nicht, die heimische Politik unter Druck zu setzen. So verlangte Monti unermüdlich von Rom Klarheit über den Europa-Kurs Italiens und Garantien für den Einstieg in die Währungsunion. Damit profilierte er sich in Europa als glaubwürdiger und zuverlässiger Italiener. Nach Ende seines Mandats in Brüssel kehrte Monti nach Mailand zurück und übernahm erneut die Präsidentschaft der Wirtschaftsuniversität Bocconi. Zwischen 2004 und 2008 war er Aufsichtsratsmitglied des Brüsseler Think Tanks Brueghel. 2010 war er an der Gründung der Spinelli-Gruppe beteiligt, die sich für den europäischen Föderalismus einsetzt.

Der parteilose Monti, der am Mittwoch von Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano für seine Verdienste für die Wirtschaft zum Senator auf Lebenszeit ernannt worden war, soll jetzt Chef einer Übergangsregierung werden. Die Nachfolge des skandalumwitterten Berlusconi in dieser entscheidenden Phase der Schuldenkrise anzutreten, ist eine Aufgabe, vor der jeder erschauern würde, doch "Super-Mario" hat eine klare Strategie, um Italien vor der Pleite zu retten. Mit Kampf gegen die Privilegien der Politik, Sparmaßnahmen und wirtschaftsfördernden Maßnahmen will Monti die von Berlusconi zerstörte Glaubwürdigkeit Italiens auf den Finanzmärkten wieder rekonstruieren. Dabei muss er das Vertrauen aller Komponenten der italienischen Politik gewinnen.

"Der Steuerdruck auf Arbeitnehmer und Unternehmen ist enorm, während er die Finanzrendite zu wenig belastet", betont Monti. In die Zukunft seines Landes hat der Vater zweier erwachsener Kinder großes Vertrauen: "Die Attacken gegen Italien sind eigentlich Angriffe auf den Euro. Italien war für die Zukunft Europas noch nie so entscheidend". Mit seiner Anti-Krisen-Strategie droht sich Monti in seiner Heimat unpopulär zu machen, doch das belastet ihn nicht. Das Wichtigste ist ihm, Italien vor dem Abgrund zu retten.