Der italienische Ministerpräsident hat eine mit Spannung erwartete Haushaltsabstimmung am Dienstag zwar gewonnen, seine Parlamentsmehrheit jedoch verloren. Während 308 Abgeordnete für den Rechenschaftsbericht stimmten, enthielten sich 321 Parlamentarier. Die erforderliche absolute Mehrheit lag bei 316 Stimmen. Vor der als Test für den Zusammenhalt der Regierungsmehrheit geltenden Abstimmung war Berlusconis Koalitionspartner von der Lega Nord offen auf Distanz gegangen. Nach kurzen Dementis gestand Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, er habe Berlusconi zum Rücktritt aufgefordert.

Nach der Niederlage eilte der Premier zu Staatschef Giorgio Napolitano, um diesem die jüngsten Entwicklungen in seiner bröckelnden Koalition darzulegen. Nach der 45 Minuten dauernden Unterredung kündigte der Ministerpräsident seinen Rücktritt an. Allerdings wird dieser erst erfolgen, nachdem Berlusconi sein Konjunkturpaket mit Spar- und Liberalisierungsmaßnahmen im Parlament verabschiedet habe, zu dem er sich vergangene Woche mit Brüssel verpflichtet hat. Dafür braucht der Premier aber die Opposition. An diese richtete er einen Appell zur Zusammenarbeit, um so den Finanzmärkten zu beweisen, "dass wir es ernst meinen".

Und das wäre tatsächlich wichtig, denn Italien ist die drittgrößte Wirtschaft der Euro-Zone und hat nach Griechenland die zweithöchste Schuldenquote. Zahlungsschwierigkeiten würden selbst den aufgestockten Euro-Rettungsschirm EFSF sprengen.

Noch bis Dezember im Amt

Berlusconi könnte noch bis Dezember im Amt bleiben. Danach wird es "vorgezogene Parlamentswahlen" geben, kündigte der Premier an. Dass nach seinem Rücktritt eine Notstandsregierung Italien bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 weiterführen könnte, schloss Berlusconi definitiv aus.

Trotz wachsenden Drucks hatte Berlusconi bis zur letzten Minute einen Rücktritt ausgeschlossen. Dabei hat selbst die Wirtschaft darauf gesetzt. Am Wochenbeginn waren die Aktienkurse an der Mailänder Börse abrupt in die Höhe geschnellt, als sich das Gerücht verbreitete, der Ministerpräsident werde innerhalb weniger Stunden zurücktreten.

Obwohl Berlusconi noch vor wenigen Tagen versicherte, sein Land leide nicht unter der aktuellen Krise, schließlich seien Restaurants und Flüge ausgebucht, sehen die Italiener ihre Regierung in den letzten Zügen liegen. In Bars und Restaurants wird seit Tagen nicht mehr über die von Europa angemahnten Reformen diskutiert, sondern nur noch über einen Regierungswechsel. Selbst innerhalb seiner Partei PDL zirkulieren daher mittlerweile Vorschläge für die Zeit nach Berlusconi.

Technokraten an die Macht

Die Mitte-links-Opposition hat schon seit geraumer Zeit einen Rücktritt des Ministerpräsidenten verlangt. Aber das ist auch schon ihre ganze politische Vorstellung, denn bislang legte sie kein eigenes Programm zur Lösung der italienischen Finanz- und Wirtschaftskrise vor, mit dem sie in den Wahlkampf ziehen könnte.

Vor diesem Hintergrund signalisierte die Opposition indes ihre Bereitschaft, eine neue Regierung aus Technokraten unter der Leitung des international hochgeachteten Ex-EU-Kommissars Mario Monti zu unterstützen. Die Bildung eines solchen Kabinetts unter Montis Führung würde vermutlich die internationalen Märkte beruhigen, auf denen Italien immer höhere Zinsen für seinen Schuldenberg zahlen muss.

Freilich: Auch die Maßnahmen einer Technokratenregierung bedürfen der Zustimmung des Parlaments. Ob die bisherige Mehrheit den wenig charismatischen Monti unterstützen würde, gilt als ungewiss.

Die Lega Nord und Teile der Opposition hoffen auf Neuwahlen. Diese sind aber nicht so sicher. Dazu müsste Staatspräsident Napolitano erst einmal das Parlament auflösen. Gegen Neuwahlen hat er sich schon einmal gesträubt: 2008, als die Mitte-links-Regierung von Romano Prodi zerbrochen ist.