Als die Demonstranten am Athener Syntagmaplatz aufmarschierten, um vor dem Parlament gegen das Sparprogramm zu protestieren, waren die Spuren der Straßenkämpfe des Vortags allgegenwärtig: ausgebrannte Wartehäuschen an den Bushaltestellen, zertrümmerte Schaufenster, eingeäscherte Straßencafés, zerstörte Verkehrsampeln. Wie schon am Mittwoch verlief die Versammlung zunächst friedlich.

Doch am Nachmittag kippte die Stimmung wieder. Aus den Nebenstraßen stießen Trupps von Trittbrettfahrern zu der Demonstration: vermummte, schwarz gekleidete Chaoten, die mit schweren Hämmern, Eisenstangen und Molotowcocktails bewaffnet waren. Was sich dann auf dem Syntagmaplatz entwickelte, erinnerte an Szenen aus einem Bürgerkrieg: Etwa 500 Anarchisten lieferten sich fast eine Stunde lang brutale Massenschlägereien mit Mitgliedern des KP-Gewerkschaftsbundes. Ein 50-jähriger Maurer wurde dabei so schwer am Kopf verletzt, dass er im Krankenhaus verstarb. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden rund 16 Menschen verletzt.

Während auf dem Platz die Straßenkämpfe tobten, wurde im Plenarsaal eine andere Schlacht ausgefochten: Die Abgeordneten debattierten das Sparprogramm, über das am Abend abgestimmt werden sollte. Finanzminister Evangelos Venizelos schlug dramatische Töne an: "Vielleicht haben es noch nicht alle gemerkt, aber wir befinden uns im Kriegszustand!" Venizelos beschwor die Abgeordneten: Wenn das Sparpaket nicht verabschiedet werde, brauchten er und Premier Papandreou gar nicht erst zum Finanzministerrat und EU-Sondergipfel nach Brüssel zu fliegen.

Der Minister gab sich kämpferisch: "Von heute an bis zum Sonntag schlagen wir die Schlacht aller Schlachten." Eine "Tragödie" sei es, was sich in Griechenland abspiele: "Aber was wir jetzt durchleben, ist noch nicht der tiefste und extremste Punkt der Krise", mahnte der Minister. "Wir müssen diese Phase durchstehen, damit es nicht noch schlimmer kommt."

Aber wird das jene Griechen überzeugen, die jetzt weitere Opfer bringen müssen? Vor allem die Empfänger kleiner und mittlerer Einkommen bittet Venizelos gnadenlos zur Kasse. Eine fünfköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 25.000 Euro wird statt 390 Euro Einkommensteuer künftig 2970 Euro im Jahr zahlen - ein Anstieg um 661 Prozent. Die Steuerlast eines gut situierten Ehepaars, das 100.000 Euro im Jahr verdient, steigt dagegen nur um 2,6 Prozent, von 31.600 auf 32.420 Euro. Es sind diese schreienden Ungerechtigkeiten, die jetzt Hunderttausende Griechen auf die Straßen treiben. Und es ist das frustrierende Gefühl, dass alle Opfer letztlich nichts bringen: alle paar Monate muss die Regierung neue Sparprogramme verkünden und höhere Steuern erheben. Aber die Schulden steigen und das Land rutscht immer tiefer in die Rezession.

Kurz vor der entscheidenden Abstimmung versuchte Finanzminister Venizelos noch einmal, die Regierungsfraktion auf Vordermann zu bringen: "Wenn dieses Gesetz scheitert, gibt es kein Morgen", sagte Venizelos. Aber selbst wenn die Euro-Finanzminister jetzt die nächste Rate der Hilfskredite freigeben, gewinnt Griechenland damit nur eine kurze Atempause: spätestens im Dezember müssten weitere Hilfsgelder bewilligt werden. Dann beginnt wieder das Zittern.