Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist Anfechtungen der Justiz wegen mutmaßlicher Korruption, Steuerhinterziehung und mittlerweile auch Prostitution gewöhnt. Während die Opposition wegen mangelnder Reformen und immer neuer Sexskandale seinen Rücktritt fordert, gerät der Regierungschef nun erstmals von außen unter Druck. Die Rating-Agentur Standard & Poor's senkte Italiens Kreditwürdigkeit überraschend um eine Stufe von "A+"auf "A" herab. Demnach sind italienische Staatsanleihen nur noch eine "prinzipiell sichere Anlage". Die Aussichten der italienischen Wirtschaft beurteilte die Agentur darüber hinaus als negativ. Eine instabile Koalition und politische Differenzen im Parlament werden nach Auffassung der Experten von S&P weiterhin die Fähigkeit der Regierung beschränken, entschieden auf die Krise zu reagieren.

Berlusconi wies die Analyse als politisch motiviert und ungerechtfertigt zurück. Zwei Sparpakete wurden in den vergangenen Monaten mit Vertrauensabstimmungen verabschiedet. Damit stellte die Regierung nach den Worten des Ministerpräsidenten ihre Stabilität in genügendem Maß unter Beweis. Die Verabschiedung der jüngsten Sparmaßnahmen war in der vergangenen Woche allerdings von gewalttätigen Protesten vor dem Parlament begleitet. Zuvor hatten sich Hunderttausende an Protestkundgebungen im ganzen Land beteiligt.

Nur noch ein Viertel der Wähler hegt nach einer jüngsten Umfrage der linksliberalen Tageszeitung "La Repubblica" Vertrauen in den Regierungschef. Der mächtige Industriellenverband Confindustria sagte sich nach langem Zögern ebenfalls von Berlusconi los. "Die Zeit ist abgelaufen", erklärte die Eiserne Lady, wie die Vorsitzende des Verbands, Emma Marcegaglia, gern genannt wird. Denn Berlusconi hatte nach seinem Wahlsieg 2008 versprochen, die Steuern zu senken und die Bürokratie abzubauen, um die kaum wachsende Wirtschaft anzukurbeln. Mittlerweile schließen die regionalen Confindustria-Verbände bei ihren Versammlungen Regierungsvertreter aus Enttäuschung von den Podien aus.

Wenn er wegen der Schwäche der Opposition und mangelnden Führungsnachwuchses in den eigenen Reihen die Legislaturperiode bis 2013 aussitzen könnte, zwingt die Senkung der italienischen Kreditwürdigkeit Berlusconi doch zum Handeln. Als drittgrößte Wirtschaft der Europäischen Union kommt Italien eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des Euro zu.

Schuldenberg

Mit den jüngsten Sparpaketen engagierte sich Rom zwar für eine Haushaltssanierung. Der auf 1,9 Billionen Euro gestiegene Schuldenberg beträgt indes 120 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung. Nur in Griechenland ist das Verhältnis zwischen den beiden Größen noch dramatischer.

Neben bereits beschlossenen Ausgabenkürzungen sind dringend Wachstumsanreize erforderlich. Der Druck der Rating-Agentur könnte Berlusconi dazu bewegen, endlich die nötigen Reformen zu verabschieden. Über den Protest gegen die Aufhebung von Privilegien einzelner Berufsgruppen, die der Koalitionspartner Lega Nord vehement vertritt, könnte es allerdings zum Sturz der Regierung kommen. Eine dringend erforderliche Anhebung des Rentenantrittsalters wendete der Lega-Nord-Chef gerade erfolgreich ab.

Wie wenig Vertrauen die italienische Industrie bereits vor der Herabstufung durch S&P in die Regierung hatte, demonstrierte Fiat, indem der Autohersteller seine Kapazitäten zunehmend ins Ausland verlagerte. Für eine Stärkung der italienischen Industrie müsste Wirtschaftsexperten zufolge auch der Arbeitsmarkt dringend flexibilisiert werden.