Bang blickt das angeschlagene Griechenland auf die nächsten Tage. Wieder steht dringend benötigtes Hilfsgeld auf der Kippe, Gerüchte über eine nun doch bevorstehende Pleite machen die Runde. Sehr unnachgiebig seien die EU-Finanzminister beim Treffen in Breslau gegenüber ihrem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos gewesen: "Die Partner haben die Geduld verloren. Sie wollten von uns keine Ausreden oder Absichtserklärungen mehr hören. Die wollten nur Fakten", beschrieb es ein enger Mitarbeiter des Ministers.

Akzeptiert würden von der EU nur noch klare, vom Parlament gebilligte Maßnahmen - sonst werde kein Geld mehr fließen, berichtet der Insider. Gibt es nichts, ist Griechenland schon im Oktober pleite. Angesichts der schlimmen Perspektive brach Ministerpräsident Giorgos Papandreou seine Reise in die USA ab und kehrte am Sonntag nach Athen zurück.

Die griechische Presse lieferte am Sonntag einen makabren Vergleich: "In die Intensivstation (des Sparprogramms) oder ins Leichenschauhaus (der Pleite)", schrieb die Athener Sonntagszeitung "To Vima". Das Land stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Die Spitzen der verfeindeten politischen Lager - der regierende Sozialist Giorgos Papandreou und der konservative Oppositionschef Antonis Samaras - müssten sich dringend überwinden und an einem Strang ziehen, forderte der Kommentator.

Noch deutlicher sagte es der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble: Er warnte Griechenland in der "Bild am Sonntag" davor, die Drohung mit einem Zahlungsstopp nicht ernst zu nehmen. Ohne eine positive Feststellung der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF, dass Griechenland seinen Verpflichtungen nachkomme, könne die nächste Tranche nicht ausgezahlt werden. Darüber solle sich niemand Illusionen machen. Die Mitgliedschaft in einer Währungsunion sei Chance aber auch schwere Bürde: "Die Griechen müssen wissen, ob sie diese Last auf ihren Schultern tragen wollen."

Die "Troika" aber scheint daran zu zweifeln, dass Athen den Gürtel noch enger ziehen und neue Gelder für die Staatskassen finden kann. Die für diesen Montag geplante Reise ihrer Spitzenfunktionäre nach Athen wurde erneut aufgeschoben. Immerhin soll eine Telefonkonferenz mit dem griechischen Finanzminister am Montag geben.

Der Reformprozess in Athen ist bisher nicht in Fahrt gekommen: Die Verschlankung des Staates geht schleppend voran. Die Steuerhinterziehung blüht. Immer neue Defizite entstehen. Um das Loch im Haushalt zu stopfen, müssen allein bis Jahresende 1,7 Milliarden Euro irgendwie aufgebracht werden.

Der Regierung bleibt nichts anderes übrig, als schnell neue Maßnahmen zu verhängen. So sollen etwa zehn Prozent der Staatsbediensteten, die nicht den Beamtenstatus haben, kommendes Jahr entlassen werden. Alle Griechen, egal ob sie reich oder arm sind, müssen demnächst und für zwei Jahre eine neue Immobilien-Sondersteuer bezahlen. Die Steuer soll mit der Elektrizitätsrechnung kommen. Wer eine Wohnung oder ein Haus hat, muss 2011 und 2012 je nach Wert der Immobilie zwischen 50 Eurocent bis zu zehn Euro pro Quadratmeter zahlen. Wer nicht zahlt, dem soll der Strom gekappt werden. Insgesamt erwartet Athen, damit vier Milliarden Euro kassieren zu können.

Doch die Gewerkschaft der Elektrizitätsgesellschaft (GENOP-DEI) mit tausenden Mitgliedern in der Sozialistischen Partei ist alarmiert: "Wir sind keine Steuer-Eintreiber", hieß es in einer Erklärung. Linke Parteien rufen zum Ungehorsam auf; niemand solle zahlen. Dadurch solle das System zusammenbrechen. Wohnungsbesitzer wollen vor dem Verwaltungsgerichtshof klagen.

Alle diese Reaktionen kennt die "Troika" sehr gut. Viele ihrer Mitarbeiter leben ständig in Athen und beobachten die Lage genau. Sie sind sich daher alles andere als sicher, dass Athen die angepeilten vier Milliarden Euro tatsächlich kassieren kann. Vor diesem Hintergrund kursierten das ganze Wochenende über abermals Gerüchte über einen unmittelbar bevorstehenden Bankrott des Landes.

"Unsinn" sagte Finanzminister Evangelos Venizelos in einer Erklärung. Er macht aber keinen Hehl daraus, was die Griechen erwartet: Die nächsten zwei Monate würden "höllisch", sagt er.