Der Sturm eines Mobs auf die israelische Botschaft in Kairo hat die schwersten Spannungen zwischen den beiden Nachbarstaaten seit dem Friedensvertrag von Camp David ausgelöst. Israels Premier Benjamin Netanjahu nannte die nächtliche Gewaltorgie im Stadtteil Dokki, bei der drei Menschen starben und mehr als tausend verwundet wurden, eine "gravierende Verletzung in dem Gewebe des Friedens mit Israel".

In Kairo kam die Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Sharaf zu einer eilig einberufenen Krisensitzung zusammen. Bei einem anschließenden Treffen mit dem Obersten Militärrat bot der Regierungschef seinen Rücktritt an, den die herrschenden Generäle jedoch ablehnten. Innenminister Mansur el Eissawy versetzte die Sicherheitskräfte in höchste Alarmbereitschaft und verhängte eine generelle Urlaubssperre für alle Polizisten.

Der israelische Botschafter in Kairo, Yitzhak Levanon, sowie seine Familie und rund 80 weitere israelische Staatsbürger hatten sich noch in der Nacht zum Flughafen geflüchtet, von wo aus sie in einer dramatischen Rettungsaktion mit einer Militärmaschine nach Tel Aviv ausgeflogen wurden. Lediglich der stellvertretende Botschafter blieb in Kairo zurück, um Kontakt zum regierenden Militärrat zu halten.

Zunächst hatte die randalierende Menge mit Vorschlaghämmern und herausgerissenen Laternenmasten die drei Meter hohe Sperrmauer aus Beton demoliert, die die Behörden erst vor einer Woche zum Schutz der Botschaft hatten errichten lassen. Drei Stunden lang griffen die Sicherheitskräfte nicht ein und ließen die Menge gewähren. Kurz vor Mitternacht gelang es dann mehreren Dutzend Randalierern, in das Gebäude einzudringen. Sie rissen die israelische Flagge herunter, verwüsteten Räume des Konsulats und warfen unter dem Gejohle der Menge Akten und Dokumente aus den Fenstern.

Straßenschlachten

Sechs israelische Sicherheitsbeamte, die sich hinter einer Panzertür verbarrikadieren konnten, mussten von einem ägyptischen Spezialkommando in Sicherheit gebracht werden. Die anschließenden Straßenschlachten rund um das Gebäude dauerten bis in die Morgenstunden, dabei wurde auch die nahe gelegene regionale Polizeistation des Regierungsbezirks Giza attackiert.

International wurden die Angriffe auf die Mission einhellig verurteilt. US-Präsident Barack Obama äußerte sich besorgt und appellierte an Ägypten, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.

Aversionen gegen Israel sind in Ägypten weit verbreitet, obwohl es seit 1979 einen Friedensvertrag gibt. Stark angefacht wurden die anti-israelischen Aggressionen zuletzt durch den Tod von fünf Grenzpolizisten auf dem Sinai vor drei Wochen. Damals hatten israelische Einheiten nach einem Terrorüberfall nahe dem Badeort Eilat, bei dem acht Menschen ermordet wurden, teilweise auf ägyptischem Territorium operiert und dabei auch sechs ägyptische Grenzer getötet. Tel Aviv "bedauert" deren Tod, für die Ägypter ist dies unzureichend.

Der Einbruch im Verhältnis zu Ägypten kommt für Israel zum Zeitpunkt, wo auch die Beziehungen zum langjährigen Verbündeten Türkei auf einem Tiefpunkt angekommen sind. Die Regierung in Ankara verlangt von Israel eine offizielle Entschuldigung für seine Kommandoaktion gegen die Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010, bei der neun türkische Aktivisten getötet wurden.