Gebildete Libyer, die im Ausland unterwegs sind, leiden darunter, dass ihren Gesprächspartnern zum Thema Libyen oft nur "Gaddafi" einfällt. So unterhaltsam sein Zelten in europäischen Parks gewesen sein mag, für die Bevölkerung Libyens waren seine Eskapaden seit Jahren bitterer Ernst. Kritik am "Bruder Führer" wurde mit Haft und Folter geahndet.

Gaddafi ist launisch und hält sich selbst für unfehlbar. Am liebsten hätte er nach der Machtergreifung 1969 gleich die gesamte arabische Welt mit seiner hausgemachten Volksbefreiungsideologie beglückt. Doch die Araber zeigten ihm die kalte Schulter.

Gaddafi hat sein Land in einem wilden Zickzackkurs von der Monarchie in eine Art Volksrepublik geführt. Dann sorgte er dafür, dass Libyen international als einer der Hauptsponsoren des Terrorismus geächtet wurde. Im Jahr 2003 verkündete er plötzlich, Terror und Aufrüstung seien sinnlos. Belohnt wurde Gaddafi dafür mit verbesserten Beziehungen zu westlichen Staaten. Besonders eng wurde der Kontakt zu Italien, wohl auch, weil er und der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sich bis zuletzt gut verstanden.

Der libysche Staatschef gilt als neurotisch und aufbrausend. Er misstraut fast jedem, stieß im Laufe der Jahre viele Weggefährten aus Revolutionsjahren vor den Kopf und hört heute ausschließlich auf seine Kinder. Nur eine Konstante gab es in Libyen, nachdem Gaddafi 1969 König Idris al-Sanussi gestürzt hatte: Der Oberst hat immer recht. Obwohl er kein öffentliches Amt bekleidet, ging ohne seinen Segen in Libyen in den vergangenen vier Jahrzehnten nichts.

Gaddafi, der 1942 als Sohn eines nomadisierenden Bauern geboren wurde, liebt den Kult um seine Person. Er ließ überall im Land seine Fotos in Überlebensgröße aufhängen, die ihn mit cooler Sonnenbrille oder in bunten Fantasiegewändern zeigten. Diese bildeten nun eine hervorragende Zielscheibe für die Wut der Aufständischen. Sie rissen überall im Land seine Fotos herunter und steckten sie in Brand.