Das Leben eines Wählers kann grausam sein. Die Politik- und Regierungsverdrossenheit führt dazu, dass rund die Hälfte lieber für eine Oppositionspartei stimmen würde. Doch ist für viele Bürgerliche und Liberale die FPÖ zu sehr am rechten Rand, sind die Grünen angeblich zu links. Was macht man also mit seinem gemäßigten Protest? Hier ist eine Marktlücke entstanden, von der das BZÖ seit der Nationalratswahl 2008 zu profitieren versucht. Nicht weil die Orangen so gut wären, doch es gibt keine Alternativen. Für mittlere Angestellte und Freiberufler ist der Weg zur Sozialdemokratie weit. Die momentan schwache ÖVP wird oft als Beamten-, Bauern- und Unternehmervertretung gesehen. Nach Wählerstromanalysen hat das BZÖ vor drei Jahren rund 150.000 Stimmen aus dem schwarzen Pool gefischt. Nur halb so viele kamen von der SPÖ.

Allerdings war damals Jörg Haider Spitzenkandidat gewesen. Sobald die ÖVP in der Wirtschaftskrise 2009 zur vorübergehenden Erfolgsfähigkeit zurückkehrte, fiel das BZÖ in den Umfragen. Von über 10 Prozent 2008 auf ein Tümpeln an der Vier-Prozent-Grenze 2009 sowie auf ein bis zwei Prozent am Rand der Wahrnehmungsschwelle zu Jahreswechsel. Damals haben sich die Kärntner Orangen abgespaltet und waren als FPK zur FPÖ zurückgekehrt. Das BZÖ verlor seine Basis. In Kärnten hatte man 39 Prozent der Stimmen erhalten - in der Landtagswahl gar 45 Prozent - und etwa in Wien einen fast zehnmal kleineren Anteil. Auch besaßen Gerhard Dörfler, Uwe Scheuch & Co. Regierungsämter, sorgten für Medienpräsenz und verfügten als einzige Teilorganisation über Strukturen mit entsprechenden Mitteln.

Die letztgenannten Mängel plus Personalquerelen führten dazu, dass das BZÖ nirgendwo im Landtag sitzt und regional überall kläglich scheiterte. Auf Bundesebene wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Das BZÖ erkannte, dass das kärntnerische Image jenseits von Katschberg und Packsattel mehr Nach- als Vorteil ist. Generell hat es kaum Sinn, sich mit der FPÖ lautstark um radikale Proteststimmen zu prügeln. Bei enttäuschten Linkswählern gibt es noch weniger zu gewinnen. Zielgruppe des BZÖ müssen Unzufriedene in der Mitte bleiben, die kleinere Veränderungen und keinen extremen Kurswechsel wollen.

Wirtschaftsliberale Wähler

BZÖ-Sympathisanten sind mittleren Alters, wirtschaftsliberal bis sozial-konservativ und über dem Durchschnitt katholisch, gut verdienend, ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft berufstätig sowie mehrheitlich an Inhalten interessiert. Revolutionäre und Totalreformer sehen anders aus. Daher versucht die Partei, Konzepte zu präsentieren und sich als Koalitionspartner anzubiedern. Angesichts einer wackelnden SPÖ-/ÖVP-Mehrheit und deren geringer Verträglichkeit mit der FPÖ könnte man mit Glück Zünglein an der Waage für Dreiervarianten werden.

Bucher gilt als integer

Parteichef Josef Bucher hat es zudem bisher trotz Fehlen eines kantigen Profils geschafft, als persönlich integer zu gelten. Das sollte selbstverständlich sein, doch Buchers Heimat ist das freiheitliche Kärnten, wo von millionenschweren Fantasiehonoraren für einen Steuerberater des Landes über den Hypo-Bankenskandal bis zu Korruptionsvorwürfen gegen Landesrat Scheuch ein rauer Wind weht.

Das führt zur Glaubwürdigkeit des BZÖ als Schlüsselfrage. Unter Buchers verbliebenen Mitstreitern findet sich mit Peter Westenthaler ein rechtskräftig wegen Falschaussage verurteilter Abgeordneter. Bucher wird ihn womöglich vor dem nächsten Wahlkampf politisch entsorgen, doch macht die jetzige Zusammenarbeit keinen schlanken Fuß.

Ewald Stadler gilt in der Außenwirkung als Risikofaktor. Stefan Petzner sollte man als Strategen nicht unterschätzen, und mit den fundamentalistischen Rechtspositionen Stadlers hat er nichts am Hut. Doch das Bild des Handlangers und missglückten Nachfolgers von Haider für ein paar Monate wird er nicht los. Das war's auch schon, der Rest des BZÖ hat keinen ausreichenden Bekanntheitsgrad. Bucher muss hoffen, als Führer einer Parlamentspartei quasi automatisch oft in den Medien zu sein.

Hauptproblem des BZÖ bleibt jedoch, nur von der Schwäche der anderen zu leben. 2010/11 gab es eine Stabilisierung in den Umfragen für einen gesicherten Verbleib im Nationalrat. Einzelne Ausreißer nach oben sprachen gar von zweistelligen Prozentwerten als mögliches Wahlergebnis. Das ist irreal, doch so oder so ist dafür mehr die ÖVP als das BZÖ verantwortlich. Erst deren Führungswechsel und neuerliche Parteikrise haben Buchers Partei wieder Lebensatem eingehaucht.

Warum Bucher nämlich bei seinem Karrierehintergrund als Hotelier mit wirtschaftsliberalen Ansichten nicht der ÖVP beitritt, wäre in deren Hochzeiten eine für ihn schwierig zu beantwortende Frage. Weder gibt es dramatische Meinungsunterschiede noch weichen Wähler- und Zielgruppen stark voneinander ab. Im Umkehrschluss bedeutet das freilich: Eine belebte ÖVP würde das Aus für das BZÖ bedeuten.

Dem mit Annäherungen zur SPÖ zu begegnen, würde zur Beliebigkeit führen. Der endgültige Todesstoß wäre eine neue Partei mit prominenten Persönlichkeiten, die ruhig und sachlich auftreten und trotzdem regierungsunzufriedene Wähler ansprechen. Doch da will sich niemand vor den Vorhang wagen.