Bei den Aufständen des "arabischen Frühlings" in Syrien und Ägypten waren Twitter, das Internet und andere soziale Netzwerke die Helden der Freiheitsrebellion. In London, Birmingham und Liverpool waren sie bei den Krawallen gestern die Waffe anarchistischer Randalierer und die Polizei war machtlos.

Nicht Backsteine, brennende Mülltonnen und angezündete Sprühdosen, sondern Blackberrys sind nun die wirksamste Waffe in den Händen der vermummten Randalierer. Einst waren sie Statussymbole reicher Geschäftsleute, nun halten Jugendbanden mit Blackberrys Kontakt.

Laut einer Studie besitzt etwa ein Drittel aller britischen Jugendlichen einen Blackberry. Die Geräte bieten einen integrierten Sofort-Nachrichtendienst, mit dem sich gratis viele Leute auf einmal kontaktieren lassen. Der Dienst ist verschlüsselt, die Empfänger der Nachrichten brauchen einen Code, um die Texte lesen zu können. Eine Überwachung ist also sehr schwierig.

Die randalierenden Gruppen, oft wohl identisch mit festverschworenen "Gangs" aus den einschlägigen Vierteln, nutzen das geschlossene Blackberry Netzwerk "BBM Group Chats", zu dem man, anders als bei Twitter, nur durch Geheimzahl Zugang hat.

Auch der mutmaßliche Waffenhändler Mark Duggan, dessen Tod durch eine Polizeikugel als Auslöser für die Welle der Gewalt galt, teilte seinen Bandenfreunden per BBM mit: "Die Polizei ist mir auf den Fersen".

Mit sozialen Netzwerken können sich Randalierergruppen schnell formieren, zuzuschlagen und ebenso schnell wieder verschwinden. Viele der Randalierer hatten Kopfhörer ins Ohr gestöpselt und kommunizierten so gut miteinander wie die Polizei. Ziele werden lange im Voraus ausgesucht. Eine Drogerie Besitzerin in Croydon erhielt eine Warnung: "Deine Drogerie ist die Nächste" und konnte gerade noch rechtzeitig ihre Rollläden herunterlassen.

Verbreitung der Gewalt

Eine Mutter hörte von ihrer Tochter im Urlaub, was Ziele sein würden. Blackberry hat der Londoner Polizei zugesagt, zu kooperieren und will die Namen von Rechtsbrechern im BBM Chat-Netz weitergeben.

Aber elektronische Medien haben auch eine indirektere Rolle bei der Verbreitung der Gewalt: Kaum brannte am letzten Samstag das erste Polizeiauto in Tottenham, wurden Bilder von der Gewalt auf Twitter verbreitet. Dann sah man die Bilder auf den 24-Stunden-Newskanälen. Die freie Presse gehört zu den höchsten Gütern der Zivilisation.

Aber Liveübertragungen der Randale haben ihren Anteil an der flammenartigen Verbreitung der Gewalt. Aber soziale Netzwerke sind neutral: Auch diejenigen, die gestern am frühen Morgen mit dem Aufräumen ihrer verwüsteten Stadtviertel begannen, wurden mit vor allem dem Twitter Hashtag #notclean zusammengetrommelt.

Der Großteil der brisanten Information kam dann allerdings über die Blackberrys. "Kommt alle nach XY, die Geschäfte werden brennen, es gibt gratis Zeug", heißt es dort etwa. Die Behörden haben die Situation nicht im Griff.