Erstmals seit drei Jahrzehnten hat das italienische Parlament der Festnahme eines Abgeordneten zugestimmt. Auch bei gravierenden Vorwürfen hatten sich Regierung und Opposition seit 1984 immer erfolgreich gegen Inhaftierungen von Parlamentariern gewehrt. Mit der Lega Nord stimmte auch der Regierungspartner der Koalition für die Aufhebung der Immunität eines Parteikollegen von Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Politiker erpresst

Der Abgeordnete der Partei "Volk der Freiheit" (PDL) stellte sich wenig später der Gefängnisleitung in Neapel, nicht ohne zu betonen, er sei ein "politischer Häftling". Die Staatsanwaltschaft sieht in Alfonso Papa ein Mitglied der Geheimloge P4, die Politiker erpresst haben soll, um sich Ämter und Aufträge zu sichern.

Nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses füllte zunächst eine surreale Stille den Parlamentssaal. Darin äußerten sich Staunen und Schrecken eines Teils der Regierungsmehrheit darüber, dass die langjährige Unterstützung der Lega Nord für Berlusconi und seine Partei offenbar ein Ende gefunden hat.

Das überraschende Ergebnis demonstrierte darüber hinaus, dass die Lega-Nord-Abgeordneten offenbar nicht mehr Parteichef Umberto Bossi folgen. Stattdessen stimmten sie mit Innenminister Roberto Maroni, der sich offen für eine Inhaftierung Papas ausgesprochen hatte.

Berlusconi hatte bis zuletzt damit gerechnet, dass sich in der Geheimabstimmung genügend Lega-Parlamentarier trotz wachsenden Unmuts ihrer Wählerschaft hinter seinen Parteifreund stellen würden. Im Zorn über die Niederlage schlug der gewöhnlich in allen Lebenslagen um ein positives Auftreten bemühte Ministerpräsident laut mit der Faust auf den Tisch. "Verrat", nannte Berlusconi das Verhalten. Es müsse endlich Schluss sein mit dem "juristischen Mittelalter".

Der Chef der Oppositionspartei "Italien der Werte", Antonio Di Pietro, machte Maroni Komplimente über das Abstimmungsverhalten. "Wir haben einen sehr guten Innenminister", gratulierte er dem Politiker, der sich soeben erfolgreich als Nachfolger für die Parteispitze profiliert hatte.

Die Opposition sieht mit den Abstimmungsniederlagen in der Affäre Papa und beim Dekret über den Müllnotstand in Neapel das Ende der Regierung gekommen. Berlusconi solle der Bildung einer Übergangsregierung unter dem von ihm als Parteisekretär eingesetzten Justizminister Angelino Alfano zustimmen, heißt es hinter vorgehaltener Hand auch aus seiner Partei PDL.