Herr Habsburg, wie haben Sie von Ihrem Vater Abschied genommen?

KARL HABSBURG: Nach seinem Unfall vor ein paar Jahren konnte mein Vater nicht mehr reisen, was für ihn, der 95 Jahre seines Lebens viel unterwegs war, sehr schwer war. Deswegen hat die Familie so viel Zeit wie möglich mit ihm verbracht. Auch, als es dem Ende zugegangen ist.

Wie soll man sich an Otto Habsburg erinnern?

HABSBURG: Er hat aus einem unglaublichen historischen Fundus geschöpft, aber persönlich war er ein unheimlich moderner Mensch, der Neuheiten immer mit großer Aufgeschlossenheit begegnet ist. Das hat sein Leben persönlich wie politisch geprägt.

Als Politiker agierte er aber äußerst konservativ.

HABSBURG: Er war ein Wertekonservativer, aber kein Verhaltenskonservativer. Seine Ideologie war konservativ, aber seine Einstellung war modern. Denken Sie an die europäischen Entwicklungen, die er mit der Paneuropa-Bewegung vorweggenommen hat.

Worin sehen Sie seine zentrale politische Leistung?

HABSBURG: Eines seiner großen Anliegen war die Überwindung des Eisernen Vorhanges und die Vergrößerung Europas. Darauf hat er sein Leben ausgerichtet, soweit das möglich war. In den letzten Tagen seines Lebens hat ihm die Entwicklung, die sich in Kroatien abzeichnet, der Beitritt zur Europäischen Union, sehr viel bedeutet.

Ihr Vater hat lange die Paneuropa-Bewegung geleitet und als EU-Parlamentarier gearbeitet. Erlischt die politische Bedeutung der Familie mit seinem Tod?

HABSBURG: Auch mein Vater ist erst mit 68 ins europäische Parlament gekommen. Und die Frage, welche politische Funktion man hat, hängt ja mit den politischen Umständen zusammen. Heute sind viele meiner Familienmitglieder in Europa politisch tätig. Eine meiner Schwestern ist Abgeordnete in Schweden, eine andere ist georgische Botschafterin in Berlin. Auch die nächste Generation engagiert sich bereits, ganz in der Tradition meines Vaters. Abgesehen davon haben klassische politische Funktionen ja auch ihr zeitliches Ablaufdatum.

Sie selbst sind nach Ihrem Ausscheiden aus dem Europaparlament nicht mehr politisch aktiv. Was machen Sie jetzt eigentlich?

HABSBURG: Ich bin Vorsitzender der Blue Shield Organisation, die sich auf Basis der Den Haager Konvention um Kulturgüterschutz bei bewaffneten Konflikten kümmert. Zuletzt etwa in Ägypten und Libyen, aber auch nach dem Erdbeben in Haiti.

Aber Ihr Brotberuf ist die Verwaltung des Familienerbes?

HABSBURG: Nein, das wäre um Gottes willen ja kein Brotberuf. Ich bin an einigen Medienunternehmen in Mittel- und Osteuropa beteiligt. Basis ist 100%NL, eine Radiostation in Holland.

Ihr Vater hat Sie vor einigen Jahren zum Oberhaupt der Familie Habsburg gemacht. Was macht man denn in dieser Funktion?

HABSBURG: Die Familie ist groß und sehr international. Ich sorge dafür, dass der Familienzusammenhalt intakt bleibt, dass man gewisse Interessen bündelt. Da ist noch einiges zu tun.

Bezieht sich das auch auf Restitutionsfragen?

HABSBURG: Nein, absolut nicht.

Kommen wir zum Unvermeidlichen: Geht Ihnen manchmal durch den Kopf, dass Sie jetzt auch Kaiser sein könnten?

HABSBURG: Nein. Emotional beschäftigt mich das überhaupt nicht. Ich bin mit dem Leben, das ich führen darf, und mit den Freiheiten, die ich in dieser Beziehung habe, außerordentlich glücklich. Und ich weiß sehr wohl, dass eine solche Funktion in allererster Linie eine schwere Bürde ist. Eine, die man möglicherweise auf sich nehmen muss. Aber ich betrachte das sicher nicht als erstrebenswert.

Ist das die Frage, die Ihnen in Ihrem Leben bisher am öftesten gestellt wurde?

HABSBURG: Klar, wenn jemand meinen Familiennamen hört, kommt das häufig vor. Darum lege ich immer großen Wert darauf zu sagen: Ich habe ein anderes Leben auch. Mich interessieren das humanitäre Völkerrecht und Blue Shield und die Paneuropa-Bewegung wesentlich mehr als hypothetische historische Betrachtungen.

Ist es anstrengend, ein Habsburger zu sein?

HABSBURG: Nein. Vielleicht ist die Welt ein bisschen mehr schwarz-weiß, wenn man Habsburg heißt. Weil es natürlich viele Leute gibt, die einem allein aufgrund des Namens positiv oder negativ gegenüber stehen. Aber das wird sich letztlich wohl ausgleichen.

Aber man kriegt schon leichter einen Platz im Restaurant?

HABSBURG: Im Restaurant weniger. Natürlich öffnen sich gewisse Türen, wenn man Habsburg heißt. Aber es kann passieren, dass man, wenn man zu schnell gefahren ist, deswegen die Höchststrafe zahlt. Die Welt ist wie gesagt ein bissl mehr schwarz-weiß, wenn man Habsburger ist. Aber für mich ist das auch schwer zu beurteilen. Ich war ja nie jemand anders.

Was unterscheidet einen Habsburg von anderen Österreichern?

HABSBURG: Wenn man praktisch auf jedem Schritt und Tritt über die eigene Familiengeschichte stolpert, prägt einen das schon sehr. Ich kann ja nicht durch Wien gehen, ohne dass ich irgendwo mein Familienwappen sehe. Selbstverständlich baut man zu dieser Geschichte eine spezielle Beziehung auf.

Rituale wie die Herzbestattung Ihres Vaters empfindet man ohne diesen Hintergrund als eher schauerlich. War das sein Wunsch?

HABSBURG: Ein spezieller Wunsch von ihm war das nicht. Das steht eben in der Familientradition. Aber mein Vater wollte seine spezielle Beziehung zu Ungarn herausstellen. Da hat sich das angeboten und ist, glaube ich, ein sehr schönes Symbol.

Verzeihen Sie - aber was sagt man denn da dem Bestatter?

HABSBURG: Es gibt Pathologen, die sich da gut auskennen. Abgesehen davon glaube ich, derlei geschieht viel häufiger als man annimmt. Nur bei uns ist es eben eine bekannte Familientradition, also wird es mehr diskutiert.

Wird es die Klopfzeremonie vor der Kapuzinergruft geben, bei der der Tote erst nach Aufgabe aller weltlichen Titel Einlass findet?

HABSBURG: Das wird es geben, aber wie es abläuft, wird man sehen.

Es wird schon viel darüber spekuliert, wer an der Beisetzung in Wien teilnehmen wird.

HABSBURG: Natürlich hab ich darüber gewisse Nachrichten, aber dazu möchte ich nicht Stellung nehmen. Mein Vater war ein eminent politischer Mensch, ihm waren die Kontakte in die Länder Mittel- und Osteuropas besonders wichtig. Der Society-Aspekt soll nicht im Vordergrund stehen. Das würde seiner Persönlichkeit nicht gerecht werden.

Aber der Adel gehört ja längst mehr zum Showbiz als zur Politik.

HABSBURG: Da muss ich widersprechen. Gerade mein Vater war ein typisches Gegenbeispiel. Man kann ihn sicher nicht irgendeiner Society zuordnen, und dem traditionellen Adel auch nicht. Er war eine Kategorie für sich. Und aus seiner Sicht war die Politik das Feld, wo wir historisch unsere Funktion herleiten. Unter modernen Umständen eben.

Was bleibt Ihnen denn von ihm?

HABSBURG: Ich hoffe, dass man ihn als jemanden im Gedächtnis behält, der als Kronprinz noch eine echte Funktion in der Monarchie hatte, und der auch über die schwierigsten Zeiten hinweg seiner historischen Aufgabe dadurch Rechnung trug, dass er sich für die Völker, mit denen er historisch verbunden war, politisch einsetzte. Ich hoffe, dass mein Vater auch in Zukunft in diesem Licht gesehen wird.

Ihr Vater, sagten Sie, ist erst mit 68 ins Europaparlament eingezogen. Sie selbst sind heuer 50 geworden. Können wir uns also auch im Hinblick auf Sie da noch auf einiges gefasst machen?

HABSBURG: Sagen wir so: Ich glaube nicht, dass das traditionelle Pensionsalter für mich eine große Rolle spielen wird.