In Graz wächst die Angst, dass die neue Moschee von radikalen Kräften unterwandert wird. Sehen Sie diese Gefahr?

FUAT SANAC: Die Angst ist unbegründet. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn sich jemand schuldig macht, wird er bestraft.

Muss nicht auch die Glaubensgemeinschaft gegen radikale Elemente aktiv werden?

SANAC: Radikale Elemente gibt es in jeder Gesellschaft. Wir erleben es jeden Tag: Leute, die uns beschimpfen, egal was wir sagen. Natürlich arbeiten wir auch mit den Behörden zusammen.

Im Integrationsbericht wird die Sorge geäußert, die Imame seien nicht in Österreich verwurzelt, weil viele in der Türkei ausgebildet werden, nur kurz hier leben und kaum Deutsch sprechen.

SANAC: Seit 20 Jahren fordern wir die Errichtung einer Fakultät in Österreich, um das zu ändern. Viele Imame bleiben kurz hier, weil sie nicht einen Daueraufenthaltstitel bekommen. Man darf sich nicht wundern, wenn sie schlecht Deutsch sprechen.

Sollte in Moscheen nur Deutsch gepredigt werden?

SANAC: Wenn in allen Gebetshäusern Deutsch gesprochen wird, soll es so sein. Es gibt in Kirchen Messen in verschiedenen Sprachen, wie polnischer, kroatischer, englischer Sprache.

Sprache spielt bei der Integration eine Schlüsselrolle. Was halten Sie vom Vorschlag eines verpflichtenden Kindergartenjahrs ab vier, wenn man nicht Deutsch kann?

SANAC: Das habe ich immer schon gefordert. Erziehung, Bildung, Ausbildung sind der Schlüssel zum Erfolg. Andererseits gibt es auch Menschen, die seit 50 Jahren hier leben, kaum Deutsch können, brav gearbeitet und ihre Steuern gezahlt haben, und nicht einmal auf dem Boden gespuckt haben. Umgekehrt gibt es Leute, die perfekt Deutsch sprechen und den Terror verherrlichen.

Was läuft schief, dass viele Muslime in der Gesellschaft nicht nach oben klettern?

SANAC: Wir müssen die Eltern aufklären, dass sie ihre Kinder zur Schule schicken. Aber wir haben in Österreich nur zwei weibliche Seelsorgerinnen. Wer klärt die Frauen auf? Daher brauchen wir eine Theologische Fakultät. Trotzdem machen wir Fortschritte. Wir haben viele muslimische Schulen, Berufsschulen, einige private Gymnasien.

Fördert das nicht die Parallelgesellschaft?

SANAC: Warum? Diese Schülerinnen und Schüler lernen die gleichen Fächer, die in einer öffentlichen Schule gelehrt werden. Sie werden von der österreichischen Lehrerschaft unterrichtet, nach österreichischem Lehrplan. Zusätzlich lernen sie auch islamische Morallehre, bekommen Nachmittagsbetreuung. Die Schule wird nicht vom Staat subventioniert, wir nehmen dem Staat die finanzielle Last ab.

Wäre es nicht im Sinn der Integration besser, die Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken?

SANAC: Nach der Pflichtschule wollen viele Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Sie wollen, dass sie so schnell wie möglich einen Beruf lernen und Geld verdienen. Nachdem sie gesehen haben, dass wir ein Islamisches Gymnasium haben, schicken sie ihre Kinder zu uns. Viele katholische Eltern schicken ihre Kinder ja auch in katholische Schulen.

Hemmt das - ich sage sehr bewusst - kulturelle Erbe nicht die Karriere von in Österreich lebenden Muslimen?

SANAC: Wenn man immer nur fordert, statt zu fördern, bekommen die Leute Angst und ziehen sich zurück. Türkische Jugendliche etwa dürfen nicht das Gefühl haben, ausgegrenzt zu werden. Natürlich dürfen auch sie sich nicht ausgrenzen. Beiden Seiten müssen sich öffnen. Man darf nicht immer wieder betonen, woher sie kommen: Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie hier zu Hause sind. Sie sollen mit Stolz sagen dürfen, dass sie österreichische Muslime sind.

Was halten Sie vom neuen Integrationsstaatssekretär?

SANAC: Ich bin sehr angetan. Er ist sehr engagiert, lernfähig, fleißig. Vor allem ist er der erste Politiker, der mich nicht gefragt hat, was ich machen werde. Er hat gefragt, was brauchen Sie, was kann ich für Sie tun? Wie kann man so etwas vergessen!

Was halten Sie von seinem Vorschlag, bei der Zuteilung von Wohnungen für eine bessere Durchmischung zu sorgen?

SANAC: Das ist eine gute Idee. Früher konnten viele wegen der hohen Mieten da und dort nicht wohnen. Die Ghettoisierung ist immer gefährlich.

Haben Sie Angst, dass Strache Bundeskanzler wird?

SANAC: Warum sollte ich vor Strache Angst haben? Einen demokratischen Parteichef zu beleidigen, bedeutet auch seine Anhänger, seine Wähler zu beleidigen. .

Er bedient sich einer radikalen Sprache.

SANAC: Natürlich, die Plakate während der Wahl ("Daham statt Islam") haben uns sehr traurig gemacht. Wiederholt hat er jedoch betont, dass er nicht gegen den Islam, sondern gegen den Terrorismus und den Radikalismus ist. Ich nehme ihn beim Wort. Ich hoffe, dass der Islam nicht ein Wahlthema wird, um Wähler zu mobilisieren. Auf der anderen Seite ist es immer so, dass man sich in der Opposition eineranderen Sprache bedient.

Haben Sie Strache schon einmal getroffen?

SANAC: Nein. Aber warum nicht? Er ist ein Teil dieses Landes, und auch ich bin auch ein Teil dieses Landes.