Wie ein Rockstar, eine Gladiatorin und Heilsbringerin in einem wurde sie am Bangkoker Parteihauptsitz empfangen: Yingluck Shinawatra, 44, heißt Thailands neue Regierungschefin, die ihre Partei zu einem Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen führte. Ihre Partei errang 262 von 500 Sitzen im Unterhaus. In nur einem Monat ist sie von der belächelten kleinen Schwester des ins Exil geflüchteten Ex-Regierungschefs Thaksin aufgestiegen zu Thailands erster Frau, die eine Regierung anführen wird. "Lucky Yingluck", wie die hübsche verheiratete Mutter auch genannt wird, brauchte sich dank ihres so berühmten wie umstrittenen Bruders nicht mühsam die Parteietagen hochdienen.

Yingluck hat in den USA studiert und leitete in Bangkok einen Telekom- und Immobilienbetrieb des großen Bruders. Unlängst vertraute ihr Thaksin ein besonderes Amt an: Der 18 Jahre ältere, 2006 von thailändischen Generälen aus dem Amt gejagte ehemalige Premier ernannte seine so frisch und unbekümmert wirkende kleine Schwester zur Führerin seiner Puea Thai (Für Thais) Partei. Die Ernennung Yinglucks zur Spitzenkandidatin sollte sich als brillanter Geniestreich erweisen. Die Thaksin-Partei, deren alte Führer noch immer aus der Politik verbannt sind, errang unter der politischen Novizin nun diesen Sieg.

Den hat die Puea Thai abermals dem armen, bevölkerungsreichen Nordosten zu verdanken, wo Stimmenkauf grassiert, womit der Nordosten erneut die politischen Verhältnisse in der Hauptstadt diktiert. Doch auch Bangkok, die Hochburg der von der Macht abtretenden Demokraten, ging nur knapp an die altehrwürdige Partei; Yingluck verstand offenbar auch Thailands liberale Mittelklasse zu überzeugen.

Der schwerreiche Thaksin, dem in der Heimat eine Gefängnisstrafe droht, macht kein Geheimnis daraus, dass seine Schwester eine bessere Marionette ist. "Mein Klon" mit "meiner DNA", sagte er. Er erhofft sich von ihr letztendlich von den Wahlbetrugs- und Korruptionsvorwürfen amnestiert zu werden.

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