Die Reise nach Zürich endet mit dem Tod: Seit 1999 machten sich über 1000 lebensmüde Menschen aus dem Ausland auf den Weg in den größten Schweizer Kanton, um mithilfe des Sterbehilfevereins Dignitas Suizid zu verüben: 23 Österreicher, mehr als 500 Deutsche, aber auch Amerikaner, Marokkaner, Israelis und Australier buchten bei Dignitas einen Termin mit dem Tod. Die meisten von ihnen litten an unheilbaren Krankheiten - sie wollten von ihrem Leiden erlöst werden. Ebenso oft wie Dignitas begleitetet auch der andere Schweizer Sterbehilfeverein Exit den Weg in den Suizid.

Doch nach dem Willen von Gegnern soll die europaweit einzigartige Schweizer Freitodbegleitung verboten werden. Am Sonntag stimmen die Zürcher über zwei Volksinitiativen ab: "Stopp der Suizidhilfe" und "Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich".

Falls der Kanton die Initiative "Stopp der Suizidhilfe" gutheißt, könnte ein Verbot der Freitodbegleitung in der ganzen Schweiz folgen. Denn Zürich müsste sich im Schweizer Parlament dafür einsetzen, "jede Art von Verleitung oder Beihilfe zum Selbstmord unter Strafe zu stellen". Falls die Zürcher auch die Initiative gegen den "Sterbetourismus" akzeptieren, müssen die Politiker auf kantonaler Ebene handeln. Freitodbegleitung für Menschen, die weniger als ein Jahr ihren Wohnsitz in Zürich haben, wäre verboten.

Noch erlaubt die Schweiz die Freitodbegleitung, sofern keine eigennützigen Motive vorliegen. Grundlage der ebenso liberalen wie umstrittenen Praxis ist ein Artikel in der Verfassung. Die Bundesregierung plant jedoch, strenge gesetzliche Regelungen einzuführen. Danach sollen nur noch todkranke Menschen um Sterbehilfe ansuchen dürfen.

Die Opposition gegen die Suizidhilfe wird von der Evangelischen Volkspartei (EVP) und der christlich geprägten Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) angeführt. Weder EVP noch EDU können bei Urnengängen ein großes Wählerpotenzial mobilisieren - doch beim emotional debattierten Thema Sterbehilfe erfahren sie Zuspruch.

Nach Befürchtungen der EVP und der EDU untergräbt die organisierte Sterbehilfe die christlich geprägten Grundwerte der Gesellschaft: "Wenn die organisierte Sterbehilfe als möglicher Weg, dem Leben ein selbstbestimmtes Ende zu setzen, eine gewisse Normalität erlangt, werden Türen zu Entwicklungen aufgestoßen, die nicht absehbar sind", schreibt die EVP.

Vor allem ältere, pflegebedürftige Menschen gerieten unter Druck, ihr Leben vorzeitig zu beenden. Und: Der "Sterbetourismus" schade dem Ruf Zürichs und der Schweiz insgesamt.

Die Regierung des Kantons Zürich sowie alle großen Parteien von den Sozialdemokraten über die Christlichdemokratische Volkspartei bis zu der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei lehnen die Initiativen gegen die Suizidhilfe jedoch ab.

Die Gegner des Verbots erklären: Jeder Mensch habe am Lebensende das Recht, über den Zeitpunkt seines Todes zu entscheiden. Durch die Freitodbegleitung könnten unerträgliche Leiden verkürzt werden. Die Präsidentin der Sterbehilfeorganisation Exit, Saskia Frei, versichert, dass auf keinen Sterbewilligen Druck ausgeübt wird. "Das sind selbstbestimmte Menschen, die wissen genau, was sie wollen."