Kein Gang zum Supermarche, kein Besuch im Cinema und kein Spaziergang durch den Jardin de Luxembourg: Ab diesem Montag wird sich für schätzungsweise 2000 muslimische Frauen in Frankreich das Leben grundlegend ändern. Als Trägerinnen von Vollschleiern wie Burka oder Nikab dürfen sie sich nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Als erstes westliches Land hat die Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy ein sogenanntes Burka-Verbot beschlossen - trotz Drohungen islamistischer Extremisten.

Mehrheit der Franzosen dafür

Die Mehrheit der Franzosen klatscht Beifall. Wie die meisten Politiker sieht sie den Vollschleier als Symbol der grausamen Unterdrückung von Frauen und als Zeichen eines fundamentalistischen Islams. Bei der Abstimmung über das Verbot im Senat stimmte nur ein einziger Abgeordneter dagegen. Präsident Sarkozy hatte rund ein Jahr zuvor den Kurs vorgegeben: "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern ein Zeichen der Unterwerfung. Sie ist in Frankreich nicht willkommen", urteilte der Staatschef. Mit mangelndem Respekt vor dem Islam habe seine Ablehnung der Vollschleier nichts zu tun.

Die wenigen Betroffenen, die sich gegenüber Journalisten äußern, schwanken zwischen Wut und Verzweiflung. "Das ist ein Angriff auf die Freiheitsrechte", heißt es. Nun werde man in die soziale Isolation getrieben. Viele Musliminnen verschleierten sich freiwillig, ohne Zwang der Ehemänner oder Väter. "Ich fühle mich nackt ohne Schleier", meinte eine Schleierträgerin, die sich Soraya nennt, im Rundfunk. "Es ist meine Wahl. Mein Mann hat damit nichts zu tun."

Geldstrafe bei Verstoß

Auf die Frauen kommen schwere Zeiten zu. Wenn sie weiterhin Burka oder Nikab tragen wollen, müssen sie künftig bei jedem Gang vor die Haustür mit einem saftigen Bußgeld rechnen. Für Verstöße gegen das als Vermummungsverbot formulierte Gesetz ist eine Strafe von 150 Euro vorgesehen. Zusätzlich oder alternativ dazu kann den Frauen ein Kurs in Staatsbürgerkunde aufgebrummt werden.

Noch wesentlich härter sind die Strafen für Männer, denen nachgewiesen werden kann, Frauen zum Tragen eines solchen Schleiers zu zwingen. Sie sollen mit bis zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro büßen. Sind die Genötigten minderjährig, kann der Richter sogar zwei Jahre Haft und 60.000 Euro Strafe verhängen. Das Gesetz solle vor allem die Frauen und ihre Rechte schützen.

Dass es viele Verfahren geben wird, gilt als unwahrscheinlich. Nach Zahlen des Innenministeriums verbergen nicht mehr als 2.000 der 65 Millionen Franzosen ihr Gesicht hinter Kleidungsstücken, die nur schmale Sehschlitze für die Augen offen lassen (Nikab) oder diese sogar noch mit einem Gitterschleier verdecken (Burka).

Im Ausland dürfte die Umsetzung des Burka-Verbots sehr genau beobachtet werden. Belgien hat bereits eine ähnliche Gesetzesinitiative gestartet, auch in Deutschland gibt es immer wieder Forderungen nach einem Verbot von Ganzkörperschleiern. Kritik kommt aber aus den USA. Westliche Staaten sollten muslimischen Frauen nicht vorschreiben, was sie anzuziehen haben, hatte US-Präsident Barack Obama 2009 in seiner berühmt gewordenen Kairoer Rede gesagt.

Extremisten drohen

Islamistische Extremisten belassen es nicht bei Mahnungen, sie drohen mit blutiger Rache. Die Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb hat seit dem vergangenen Herbst mehrere Franzosen in ihrer Hand - und forderte gleich nach der Entführung eine Rücknahme des Burka-Verbots. Al-Kaida-Chef Osama bin Laden sagte in einer Audiobotschaft: "Diese Entführung ist eine Reaktion auf das Unrecht, das ihr der islamischen Nation zufügt."

Die französische Regierung versucht derzeit, keine neuen großen Diskussionen aufkommen zu lassen. Die Informationskampagne zum Start des Verbots wurde bewusst klein gefahren. Um Diskriminierungsklagen zu vermeiden, hat man das Gesetz als Vermummungsverbot angelegt. Letzteres gibt es in Ländern wie Italien schon lange - allerdings wurde es dort im Kampf gegen die Kriminalität eingeführt und nicht, um verschleierte Frauen aus der Öffentlichkeit zu verbannen.