Lungenembolie - Lungeninfarkt - lebensbedrohlich. Er muss nur ein paar Tage zur Beobachtung im Spital bleiben - er braucht zwei Wochen Rehabilitation - nein, drei Wochen - er wird erst nach Ostern in die Politik zurückkehren.

Seit fast vier Wochen ist ÖVP-Bundesparteichef Josef Pröll krank. Wie geht es ihm wirklich? Prölls Mitarbeiter können Informationen nur zizerlweise hinausgeben. Deshalb schießen immer mehr Gerüchte ins Kraut. Getreu der Erkenntnis: Wenn man nichts Genaues weiß, wuchern die Spekulationen. Das hat die Partei in eine kritische Phase manövriert. Auch intern fragen sich immer mehr, ob der Parteichef überhaupt wiederkehrt und wenn, ob er dann fit genug sein werde, um weiterzumachen.

Hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu wissen, wie gesund ein Spitzenpolitiker ist? Oder verletzt allzu große Neugierde seine Privatsphäre? Julius Raab, Bruno Kreisky, Johanna Dohnal, Alois Mock, Thomas Klestil, Rudolf Edlinger, Viktor Klima - die Liste der im Amt Erkrankten ist lang.

"Kremlmäßige Informationspolitik"

Prölls Pressesprecher Daniel Kapp erklärt seine Strategie so: "Kann man diesem Menschen nicht einfach die Möglichkeit geben, sich auszukurieren?", fragt er: Dass die Kritik an seiner vermeintlich "kremlmäßigen Informationspolitik" ausgerechnet von jenen Journalisten geäußert werde, die Interviews und Fotogeschichten am Krankenbett machen wollten, überrasche ihn nicht. Kapp sagt: "Wir haben von Anfang an transparent agiert."

Trotzdem haben die Parteistrategen nun die Flucht nach vorne angetreten. Prölls Arzt wurde von der Schweigepflicht entbunden, er darf medizinische Details und Einschätzungen über den Verlauf der Leiden des Josef P. in zwei Zeitungen und im Fernsehen breittreten. Ein ÖVP-Grande urteilt darüber: "Damit machen sie Josef Pröll zum lebenslangen Patienten."

Auch aus Sicht von Kommunikationsberatern ist die Sache schiefgelaufen. Statt damit die Bürger, vor allem die Funktionäre zu beruhigen und ihnen zu suggerieren, Pröll sei auf dem Weg der Besserung, seien dramatische Eindrücke zurückgeblieben, meint eine der ÖVP wohlgesonnenen Beobachterin, die ungenannt bleiben will: dass er in einem kritischen Zustand sei, vielleicht einem lebensgefährlichen, dass Pröll so bald nicht wieder der Alte sein werde. Weniger zurückhaltend ist der Politikberater Thomas Hofer. "Damit wurde dramatisiert, eigentlich schon richtig amerikanisiert", sagt er. Interviews mit Prölls Arzt seien geeignet, langfristig Schaden anzurichten, denn damit würden Grenzen eingerissen. "Was wird los sein, wenn der Arzt des nächsten prominenten Patienten nicht reden darf?", fragt Hofer.

"Kein Patentrezept"

Auch der frühere Kommunikationschef der SPÖ, der PR-Profi Dietmar Ecker, sieht die ÖVP-Strategie zwiespältig. Er gibt zu bedenken, dass es "kein Patentrezept" für solche Fälle gebe. Doch wenn zu viel über eine Krankheit Prominenter verbreitet werde, könne sich die beruhigende Absicht rasch ins Gegenteil umkehren. "Dann fragt sich jeder: Wie krank ist er wirklich? Wird er fähig sein, wieder zurückzukehren?", meint Ecker. Die ÖVP müsse schleunigst ihre Strategie ändern: Prölls Sprecher, der Generalsekretär oder die Familie sollten erklären, dass sich der Parteichef noch eine Zeit lang erholen werde und er bald zurück sei, meint Ecker.

Hofer rät zu einer raffinierteren Kommunikation. Die ÖVP sollte die heikle Zeit seiner Abwesenheit "mit Subbotschaften strecken", empfiehlt er Hofer. So könnten etwa Prölls Stellvertreter erzählen, sie hätten jetzt diese oder jene Anweisung vom Chef bekommen - womit sie dessen Handlungsfähigkeit demonstrieren würden. Gleichzeitig sollten sie beharrlich, aber nur in knappen Nebensätzen erwähnen, dass es ihm immer besser ginge und er bald wieder ganz der Alte sein werde. Auf diese Idee ist man in der ÖVP auch schon gekommen: Generalsekretär Fritz Kaltenegger strapaziert in Interviews das Wort "Auftrag" derzeit auffällig stark.

Es haben aber nicht nur Gerüchte über Prölls Gesundheitszustand Saison, sondern auch Spekulationen über seine berufliche Zukunft. Die politischen Gegner brauchen da gar nichts beizutragen, das besorgen die bürgerlichen Kreise schon selbst. Ein schwarzer PR-Manager fragt sich, was Prölls Männer damit bezweckten, als sie seinen Arzt über zu lange Sitzungen und zu viele Langstreckenflüge philosophieren ließen: "Wollen sie die Öffentlichkeit darauf vorbereiten, dass er einen seiner drei Jobs abgeben will?" Die Dreifachbelastung - Vizekanzler, Finanzminister, ÖVP-Bundeschef - sei ja wirklich enorm, selbst für einen gesunden Mann Anfang vierzig.

Parteichef wird er wohl bleiben. "Welcher Trottel würde sich das jetzt antun?", fragt ein Schwarzer. Sogar einen Kandidaten für das Amt des Finanzministers haben die ach so besorgten Parteifreunde schon ausgemacht. Stephan Koren, Sohn des legendären ÖVP-Finanzministers gleichen Namens und vor zehn Jahren Berater des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel, verlässt Ende April den Vorstand der Bawag-P.S.K. Was der Spitzenbanker ab Mai zu arbeiten gedenkt, ist nicht bekannt.