Nicht nur Laurent Gbagbo, der abgewählte langjährige Präsident der westafrikanischen Republik Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste), wird in seiner Residenz belagert. Seine Weigerung, die Macht abzugeben, hält Millionen Menschen in Abidjan im permanenten Ausnahmezustand gefangen. Céline Konan, eine 26 Jahre alte Friseurin, ist verzweifelt. Die ganze Nacht hat ihr acht Monate altes Baby geweint und geschrien, sich vor Schmerzen gekrümmt mit Bauchkrämpfen und Durchfall. Die junge Mutter weiß, wie schnell ein kleines Kind durch den Flüssigkeitsverlust einen lebensbedrohlichen Zustand erreicht, aber sie hat keine Medizin, kann nur versuchen, den Kleinen zu beruhigen.

Céline Konan hat herumtelefoniert bei Verwandten und Freunden. Die Hotline des Roten Kreuzes ist auch am Donnerstagmorgen ständig besetzt. "Das ist ein Alptraum", sagt sie. Aber selbst wenn sie die Helfer endlich erreichen sollte, weiß sie nicht, ob das die ersehnte Hilfe für ihr Baby bedeutet: Das Haus, in dem die junge Frau lebt, wird von gewalttätigen Milizen kontrolliert. So wie Céline Konan sind Hunderttausende hilflos gefangen in dem andauernden blutigen Konflikt, in dem sie nur verlieren können. Die "Republikanischen Kräfte" des von der Internationalen Gemeinschaft anerkannten neuen Präsidenten Alassane Ouattara belagern die Residenz von Gbagbo, der an der Macht festhält - und im Regierungsviertel wie auch in vielen anderen Stadtteilen der Millionenstadt leben die Menschen im Ausnahmezustand.

Die nächtliche Ausgangssperre ist nun von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags ausgeweitet worden. Nur wenige Stunden bleiben den Abidjanern, um die immer knapper werdenden Lebensmittel zu besorgen. Aus Angst vor Plünderungen und Kämpfen wagen sich viele nur in einen Umkreis von wenigen hundert Metern um ihre Häuser und Wohnungen, in denen sie sich halbwegs sicher fühlen. Wenn sich aber auch dort bewaffnete Kämpfer verschanzt haben, ist selbst dieses Gefühl von Sicherheit zerstört.

Hohe Preise, geschlossene Geschäfte

Die öffentliche Verwaltung ist zusammengebrochen, Busse oder Taxis fahren nicht mehr. Märkte und Geschäfte sind geschlossen. An Straßenecken verkaufen ein paar fliegende Händler, was immer sie noch haben. Die Preise sind auf das Vier- oder Fünffache des normalen Preises gestiegen. Trotz aller Angst wagt sich Sita Kone noch immer auf die Straße. "Ich muss raus", sagt die Mutter einer sechsköpfigen Familie. "Wenn ich mich zu Hause verstecke, haben meine Kinder nichts zu essen und müssen vielleicht sogar sterben." "Alle unsere Vorräte sind erschöpft, es fehlt selbst an den Grundnahrungsmitteln", klagt auch die Lehrerin Fabrice Amoah.

In den Krankenhäusern werden Medikamente knapp. Internationale Hilfsorganisationen sorgen sich vor allem um Kinder, die in den Wirren von ihren Familien getrennt wurden, um kranke und geschwächte Menschen. Das Welternährungsprogramm (WFP) musste wegen der anhaltenden Unsicherheit seine Arbeit in Abidjan aussetzen. Die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnen vor einer dramatischen Verschlechterung der Lebensverhältnisse in Abidjan, wo sie viele der Hilfsbedürftigen nicht erreichen können. "In manchen Krankenhäusern muss das medizinische Personal ohne fließendes Wasser und Strom arbeiten", sagte Dominique Liengme, Leiterin der IKRK-Delegation.

Der andauernde Ausnahmezustand trifft alle, in den vergangenen Tagen auch zunehmend die Einwohner des Diplomaten- und Regierungsviertels Plateau, in dem die belagerte Residenz Gbagbos liegt. "Seit dem 31. März konnten wir wegen der heftigen Kämpfe nicht mehr nach draußen", sagte der japanische Botschafter Yoshifumi Okamura, der nur wenige hundert Meter entfernt lebt, der Nachrichtenagentur Kyodo. Am Mittwoch kam es noch schlimmer: Gbagbo-Milizen stürmten die Residenz, schossen mit schweren Waffen um sich. Anders als für Céline Konan oder Sita Kone hat der Alptraum für Okamura erst einmal ein Ende: Französisches Militär brachte ihn und seine Angestellten in der Nacht auf Donnerstag per Hubschrauber in Sicherheit.