Rechtzeitig vor dem Frauentag konstatieren Sie in Ihrem Buch über Rollenfallen, dass Frauen ein halbes Kilo Mut statt einer Tonne Ausreden bräuchten. Machen Sie es sich da aus der Position der Karrierefrau und langjährigen einzigen Chefredakteurin Deutschlands nicht etwas zu leicht mit diesem harten Befund?

BASCHA MIKA: Der Befund muss so hart sein. Die Frage ist, ob man es so provokativ sagen muss. Ich habe die provokative Seite gewählt, weil ich gehört werden will. Ich weiß auch selbst, wie das ist, wenn man sich denkt: Ich will mich jetzt lieber nicht als Frau durchsetzen, weil ich sonst vielleicht etwas zu verlieren habe.

Was sind denn die größten Ausreden der Frauen?

MIKA: Eine der größten Ausreden ist: Es geht nicht anders, dass ich zu Hause bleibe, weil mein Mann mehr verdient. Wenn die Frau gleich ausgebildet ist und den Kontakt zum Beruf nicht verliert, stimmt das aber nicht. Das ist der Selbstbetrug jener Frauen, die einen Lebensentwurf hatten, der selbstbestimmt aussah und dies dann verleugnen. Viele machen aber auch den Fehler, dass sie versuchen, einerseits der traditionellen Rolle und gleichzeitig einer modernen Rolle gerecht zu werden. Fazit: Studien zeigen, dass Frauen überfordert sind und sich selbst überfordern. Die Ursache liegt in der einseitigen Entwicklung. Während sich das Arbeitsleben für Frauen deutlich verändert hat, sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen fast gleich geblieben.

Was würden Sie Frauen raten?

MIKA: Frauen müssten die Väter in die Pflicht nehmen. Die Aufteilung der Hausarbeit ist eine Schande. Wenn Frauen in allen Lebenslagen präsent sein wollen, müssten sie endlich lernen, ihre Männer dazu zu bringen, mit ihnen alles zu teilen und nicht selbst freiwillig alles zu übernehmen: die Verantwortung für die Kinder, für die Hausarbeit, das Familienleben.

Millionen von Frauen strudeln sich zwischen Teilzeitjobs, Kindern, Haushalt, Beziehungsarbeit ab. Sie werfen jenen, die anfangs einen anderen Lebensentwurf hatten, Feigheit vor. Warum?

MIKA: Fast 90 Prozent der jungen, gut ausgebildeten Frauen sagen, sie wollen alles mit ihrem Partner teilen und verstehen sich als gleichberechtigt. Wenn es aber um die Nagelprobe geht, knicken sie ein. Alle Untersuchungen zeigen, dass Frauen die Hausarbeit teilen wollen, Männer aber nicht. Das Ergebnis ist, dass zwei Drittel der Frauen die Hausarbeit fast völlig allein machen. Sie richten sich schon in diesen kleinen Fragen nach den Bedürfnissen ihrer Männer und nicht nach ihrem Lebensentwurf. Das setzt sich in der Kinderbetreuung fort. Frauen haben auch deshalb so wenig Macht in dieser Gesellschaft, weil sie das System an vielen Stellen unterstützen. Mit dem Ergebnis, dass sich die Gewerkschaften darum kümmern, dass Leiharbeiter dasselbe verdienen wie Angestellte, aber um die Frauen kümmern sie sich seit 40 Jahren nicht.

Die Frage nach der Aufteilung der Hausarbeit klingt aber bereits ein wenig vorgestrig und nach einer höchst privaten Sache, ebenso die Gleichung Frau = Mutter, die Sie kritisieren.

MIKA: Das sind keine individuellen Entscheidungen, sondern da erfüllen Millionen von Frauen überindividuelle Muster. Diese Frauen fehlen dann, um im Berufsleben eine kritische Masse zu bilden, die etwas an den Strukturen verändern könnte. Auch die Gleichung Frau = Mutter ist durch die Überhöhung der Mutterschaft nicht überholt. Frauen fällt es immer noch schwer zu sagen: Ich brauche für Kinder nicht alles andere aufzugeben.

Was fehlt nach Ihrer Erfahrung den Frauen, um anders zu agieren?

MIKA: Es fehlt der Mut. Mut gehört nicht zum weiblichen Erziehungsprogramm. Mädchen lernen nicht, dass Auseinandersetzung sportlich sein kann. In den Frauen steckt auch eine Menge Angst und Konfliktscheu.

Und weil der Mut zur Auseinandersetzung fehlt, bleibt die Frage der Vereinbarkeit Frauenthema und wird nicht zum Elternthema?

MIKA: Das ist nur möglich, weil Frauen es als ihr alleiniges Thema annehmen. In einer Umfrage haben 60 Prozent der Mütter erklärt, dass sie sich für die Kinder allein verantwortlich fühlen. Das ist absurd. Diese Kinder haben ja Väter. Solange Frauen sich das aufdrücken lassen und Komplizinnen des Systems sind, wird sich gesellschaftlich wenig ändern. Es fehlt der Druck, weil weder Unternehmen noch Politik gezwungen sind, sich über familienfreundliche Arbeitszeiten, Betreuungsplätze zu kümmern.

Die Frage ist aber doch, ob Frauen mit Kindern die Freiheit der Wahl haben. Soziologen warnen, dass es Familien zerreißen würde, wenn Frauen wie Männer agieren.

MIKA: Das sollen sie nicht. Frauen haben die Wahl in ihrem privaten Leben. Sie suchen sich ihren Mann aus, machen sich aus, wie sie alles organisieren. Der Mann kann nicht stillen, aber sonst kann er alles. Frauen tun aber so, als ob sie alleinverantwortlich für Kinder wären. Was spricht dagegen, dass sich im ersten Jahr die Mutter, im zweiten der Vater um das Kind kümmert?

Von der feministischen Klage, dass Frauen Opfer männlich geprägter Strukturen sind, halten Sie nichts? Alles Schuld der Frauen?

MIKA: Ich rede nicht von Schuld. Wenn es um gesellschaftliche Strukturen im politischen und wirtschaftlichen Bereich geht, sind Frauen Opfer. Da scheitern Frauen nicht am Mut, sondern an den gläsernen Decken, an denen sie massenhaft zerschellen. Da kann die einzelne Frau nichts machen. Aber im privaten Bereich sieht es anders aus.

Die Psychoanalytikerin Jessica Benjamin meint, Frauen würden sich für Gleichheit engagieren, aber mit ihrem Verhalten diesen Anspruch konterkarieren. Beschreibt sie da eine Minderheit?

MIKA: Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist es ein Massenverhalten. 70 Prozent aller Mütter mit Kindern unter 18 Jahren arbeiten Teilzeit.

Sie zählen zu jenen Frauen, die die oberste Sprosse der Karriereleiter erklommen haben . . .

MIKA: . . . und auch ich hatte meine Feigheiten. Man sollte aber nicht Beruf und Karriere verwechseln. Es gibt wenige Frauen und auch nur wenige Männer, die Karriere machen. Es geht auch nicht um Karriere, sondern um die Sinnstiftung im Beruf.

Verraten Sie uns Ihre Feigheit?

MIKA: Als es um die Frage der Chefredaktion ging, habe ich nicht gesagt, dass ich will, obwohl ich es mir zugetraut habe. Ich habe gewartet, bis ich gefragt wurde. Das ist typisch weiblich.

Männer sind weniger feig?

MIKA: Männer sind mindestens so feig, aber besser darin, ihre Lebensvorstellungen durchzusetzen, während sich Frauen freiwillig unterordnen und oft vergessen, dass Kinder nur ein Lebensabschnittsprogramm sind.

Was halten Sie von Quoten?

MIKA: Ich bin eine Quotenfrau. Die Chefredaktion der "taz" hatte natürlich keine Quote, aber die "taz" war bereits Mitte der 80er- Jahre der erste Betrieb Deutschlands mit einer 50:50-Quote im gesamten Unternehmen.

Sie sehen in der Quote eine akzeptable Krücke?

MIKA: Ja, sie ist ein Instrument. Männer haben ja auch ihre Instrumente - Männerbünde, Kommunikationskanäle, Klubs. Da gibt es eine hundertprozentige Männerquote. Es ist naiv, wenn Frauen sagen: Wir wollen nur Kraft unserer Qualifikation in diese Jobs. Männer kommen auch nicht nur durch ihre Qualifikation in ihre Jobs, sondern auch durch ihre Unterstützungsinstrumente.

Am 8. März wird in Österreich zum hundertsten Mal der Frauentag zelebriert. Was halten Sie von diesem Tag?

MIKA: Auch er ist eine Krücke, solange es Defizite gibt. Ich wünsche mir, dass der Tag kommt, an dem wir ihn einfach vergessen können, weil wir ihn nicht mehr nötig haben.