Sie haben viel Zeit in Ägypten verbracht, Sie haben an ägyptischen Universitäten gelesen und junge Eliten kennengelernt. Wer sind diese jungen Rebellen? BARBARA FRISCHMUTH: Das sind vor allem die, die nicht aus einflussreichen Familien stammen. Die zwar eine Ausbildung genossen haben, aber dann nicht die Beziehungen haben, auch einen Job zu kriegen. Das haben mir Lehrer an allen Universitäten versichert: Wenn die jungen Leute einen Onkel oder einen Vater haben, der sie wo unterbringen kann, bekommen sie eben einen Job. Für die anderen bleibt höchstens der Tourismus. Diesen jungen Leuten haben sich dann all die anderen Ägypter angeschlossen.

Haben Sie an den Universitäten Unruhe gespürt? FRISCHMUTH: Bei meinem vorletzten Ägyptenbesuch kam die Genehmigung für die Lesung einen Tag zu spät. Ein anderes Mal bat mich der Professor, nicht aus meinem Buch "Die Schrift des Freundes" zu lesen und mich nicht auf eine Diskussion einzulassen. Dann kamen aber Fragen zum Buch, und ich habe natürlich geantwortet. Es hat keine zehn Minuten gedauert und alles war abgeblasen.

Sie haben auch an der angesehenen Al-Azhar-Uni gelesen. FRISCHMUTH: Dort war es am leichtesten, man ist quasi im Auge des Taifuns. Die Professoren konnten sich viel eher erlauben, mich einzuladen. Sie haben eine Methode entwickelt, alles umzudeuten auf Toleranz und Islam.

Welche Rolle spielt überhaupt Religion bei diesen ägyptischen Eliten? Wie stark sind die Muslimbrüder? FRISCHMUTH: Die Muslimbruderschaft war früher wirklich eine sehr radikale Gruppierung, die immer wieder Nachtklubs angezündet und mit terroristischen Mitteln gearbeitet hat. Später haben die Muslimbrüder sich in mehrere Richtungen gespalten und die liberaleren haben das Vorbild Türkei entdeckt. Man hat begonnen, sich in manchen Dingen an der türkischen Regierungspartei AKP zu orientieren.

Welche Rolle haben Schriftsteller in Ägypten und haben sie beigetragen zu dem Umsturz? FRISCHMUTH: Da ist natürlich Alaa al-Aswani ("Der Jakubijan-Bau"), der auch die ganze Zeit auf dem Tahrir-Platz anwesend war. Ebenso wie die große alte Dame der ägyptischen Literatur, Nawal El Saadawi, die mit achtzig dort noch für die Freiheit demonstrierte. Beide haben viel bewirkt. Nagib Machfus hat bereits im Jahr 1985 ein Buch mit dem Titel "Der letzte Tag des Präsidenten" veröffentlicht, in dem es vor allem um die Korruption und die Misere der jungen Leute ging. So auch im Erzählungsband "Das Buch der Schicksale" von Gamal Al-Ghitani, der obendrein das Schicksal der ägyptischen Gastarbeiter in Libyen und am Golf beschreibt.

Aber wird das auch gelesen? FRISCHMUTH: Die ägyptische Buchproduktion ist ein eher peinliches Kapitel. Wenn man sich anschaut, wie wenig Bücher überhaupt produziert werden in Ägypten und in welchen Auflagen, stimmt das nicht sehr positiv. "Der Jakubijan-Bau" ist immerhin verfilmt worden und gilt inzwischen als das meistverkaufte arabische Buch nach dem Koran.

Facebook und Social Media haben da eine wichtigere Rolle? FRISCHMUTH: Ja, das ist endlich einmal ein demokratisches Instrument, das für viele zugänglich ist. Bücher kann man beschlagnahmen und einstampfen, Facebook nicht.