Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Freitag in New York auf ihrer Internetseite mitteilte, basiere diese Zahl auf Telefoninterviews mit örtlichen Krankenhäusern und Augenzeugen.

Human Rights Watch forderte die Regierung in Tripolis auf, die Angriffe auf friedliche Demonstranten sofort einzustellen und die Demonstranten vor gewalttätigen Übergriffen von bewaffneten Regierungsanhängern zu schützen. Der stellvertretende Direktor der Organisation für den Nahen Osten und Nordafrika, Joe Stork, sagte, die Sicherheitskräfte Gaddafis feuerten auf libysche Bürger und töteten zahlreiche von ihnen, nur weil sie einen politischen Wandel verlangten.

Internet in Libyen abgeschaltet

Nach mehreren Tagen gewaltsamer Proteste hat Libyen am frühen Samstagmorgen das Internet abgestellt. Die auf die Überwachung des Internetverkehrs spezialisierte US-Organisation Arbor Networks teilte mit, Libyen habe das Internet am Samstag um 01.15 MEZ "abrupt abgeschaltet". Bereits zuvor waren die Verbindungen stark verlangsamt. Internetnutzer klagten am frühen Freitagabend, dass die Seite des Internet-Netzwerks Facebook überhaupt nicht mehr erreichbar sei.

In Libyen hatten Oppositionsgruppen über das Internet für Donnerstag aus Protest gegen die Regierung des seit 1969 autoritär herrschenden Staatsführers Muammar Gaddafi zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen. Bei der Niederschlagung der teils gewaltsamen Protesten in mehreren Städten des Landes starben Dutzende Menschen.

Blutige Gewalt gegen Protestierer

Die Demokratiebewegung in der arabischen Welt lässt sich von Panzern und Polizeigewalt nicht einschüchtern. In Bahrain, wo vier getötete Demonstranten zu Grabe getragen wurden, protestierten erneut Tausende gegen die politische Führung des Golfstaates. Laut Opposition eröffneten die Soldaten am Freitag erneut das Feuer auf regierungsfeindliche Demonstranten; Opferzahlen lagen zunächst noch nicht vor. In Libyen schickt Staatschef Muammar al Gaddafi seine Söhne in die Zentren der Proteste nach Benghazi und Al-Baida. Unruhen wurden auch aus den Golfstaaten Kuwait und Oman gemeldet, bei Zusammenstößen in der jordanischen Hauptstadt Amman wurden zehn Personen verletzt. In Ägypten dagegen feierte rund eine Million Menschen den Sturz von Präsident Mubarak vor einer Woche.

Ohne Gnade

Nach einem Blutbad der Polizei unter den Demonstranten hat in Libyen das Regime von Muammar al Gaddafi der Opposition mit harter Unterdrückung gedroht. "Die Antwort wird scharf und brutal sein", verkündeten die Revolutionären Komitees, die als ideologisches Rückgrat des Regimes gelten. Der Machthaber selbst ließ sich nach einem Bericht des libyschen Fernsehens gestern kurz auf dem Grünen Platz in der Hauptstadt Tripolis blicken, empfangen von jubelnden Anhängern. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) beschuldigten die libyschen Ordnungskräfte, sofort und ohne Gnade auf die Protestierer geschossen zu haben. Sie gehen von mindestens 24 Toten aus, oppositionelle Websites sogar von über 40 Toten. Inspiriert durch die Volksaufstände in Tunesien und Ägypten hatten Regimegegner am Donnerstag in Libyen über Facebook zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen. Dabei kam es, abgesehen von der Hauptstadt Tripolis, in allen größeren Städten zu schweren Unruhen.

So sollen allein in Benghazi 14 Menschen gestorben sein - mit 660.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Wie der Chefredakteur der dort ansässigen halbstaatlichen Regionalzeitung "Quryna" bestätigte, kam es nach einer Revolte auch zu einem Massenausbruch von Häftlingen aus dem Al-Kuifya-Gefängnis. Die Geflohenen setzten das Gerichtsgebäude, eine Polizeiwache und eine Bank in Brand. Nach Informationen der BBC weigerten sich die Behörden, die Krankenhäuser mit Medikamenten und Blutkonserven zu versorgen. Am Freitag meldeten zwei libysche Exilgruppen, die Regimegegner hätten die Kontrolle in der Stadt Al-Baida übernommen. Polizisten hätten sich auf die Seite der Protestierenden geschlagen.

"Die rücksichtslosen Angriffe der Sicherheitskräfte auf friedliche Demonstranten offenbaren das brutale Wesen des Regimes von Gaddafi, wenn es mit interner Kritik konfrontiert ist", erklärte Sarah Leah Whitson, bei HRW zuständig für den Nahen Osten und Nordafrika.

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