Der Umsturz in Ägypten ermutigt die chinesische Bürgerrechtsbewegung. "Wir sehen Hoffnung. Ägypten ist unser Lehrer. Es ist ein Lehrbeispiel für uns", sagt der Bürgerrechtler Wei Shuishan nach seiner Freilassung aus zwei Tagen Polizeigewahrsam in Hangzhou in Ostchina. Mit einigen Dutzend Aktivisten hatte Wei Shuishan am Wochenende in der Hauptstadt der Provinz Zhejiang den Sturz von Hosni Mubarak feiern wollen. "Es spornt uns in unseren Bemühungen für Demokratie und Menschenrechte enorm an", sagt der Dissident der Nachrichtenagentur dpa. Doch die Polizei bekam Wind von dem geplanten Treffen und setzte den Bürgerrechtler wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" fest. "Es ist zu heikel", sagten sie ihm.

Die Angst der kommunistischen Führung, dass Funken überspringen könnten, ist überall spürbar. In manchen Online-Diensten sind die Suchwörter Ägypten oder Mubarak gesperrt. Hinter der "großen Firewall" sind Netzwerke wie Facebook oder Twitter ohnehin geblockt. Die Zensur streicht auch kritische Kommentare unter Nachrichten aus Ägypten im Internet. Nach der alten Propagandamasche, demokratische Verhältnisse anderswo gerne als instabil darzustellen, heben Chinas Staatsmedien vor allem die chaotischen Zustände in Ägypten hervor, statt auf die Forderungen nach Demokratie einzugehen.

Die Parallelen zwischen den autoritären Systemen in Ägypten und China sind für Bürgerrechtler offensichtlich. "Heute sind wir alle Ägypter", schreibt der weltberühmte chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei auf Twitter. "Es brauchte nur 18 Tage, um ein offensichtlich harmonisches und stabiles Regime zum Einsturz zu bringen, das 30 Jahre überdauert hatte. Für dieses mehr als 60 Jahre alte Ding könnten einige Monate nötig sein", verweist Ai Weiwei auf die seit 1949 herrschende Kommunistische Partei Chinas, die heute "Harmonie" und "wirtschaftliches Wohlergehen" propagiert.

In wirtschaftlicher Hinsicht lassen sich China und Ägypten auch nicht vergleichen. Statt Stagnation und Arbeitslosigkeit, die das Land am Nil plagen, erlebt China einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg. Doch weder der zunehmende Wohlstand noch die harte Hand der Staatssicherheit lassen den Ruf nach demokratischer Mitsprache in China verstummen. Manchmal zeigt sich der Wunsch in einfachen Gesten. So wollten mehrere Aktivisten Blumen zur ägyptischen Botschaft in Peking bringen, um dem ägyptischen Volk zu ihrem Erfolg zu gratulieren. Die Polizei nahm mindestens drei auf dem Weg fest, wie Menschenrechtsgruppen berichtete. Mehrere andere wurden abgewiesen.

In der südwestchinesischen Stadt Guiyang untersagte die Polizei auch einer Gruppe von Aktivisten, unzensierte Informationen über den Aufstand in Ägypten von ausländischen Webseiten auf der Straße zu verteilen. Die Bürgerrechtler, die regelmäßig Diskussionsrunden in einem Park abhalten, hatten in den Wochen zuvor noch ungehindert Material über den inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und dessen "Charta 08" verbreiten können - aber der Umsturz in Ägypten erschien den Behörden dann doch zu problematisch.

"Der Trend zu Demokratie und Menschenrechte ist nicht aufzuhalten", glaubt Wang Rongqing, ein Veteran der Demokratiebewegung, der an der geplatzten Feier in Hangzhou teilnehmen wollte. Es gehe nicht an, dass die chinesische Führung die demokratische Bewegung aufhalten wolle. Der Sturz von Mubarak zeige, dass diktatorische Systeme nicht aufrechtzuerhalten seien, sagt der 67-Jährige, der 2009 wegen Subversion zu sechs Jahren verurteilt und ein Jahr später aus gesundheitlichen Gründen von der Haft verschont wurde. Er fühlt sich bestärkt: "Ich glaube, dass in der ganzen Welt - China eingeschlossen - alle Regime, die durch Betrug, Unterdrückung und blinde Politik herrschen, scheitern werden."