Der M1-Abrams-Panzer sah aus wie ein bunter Zirkuselefant. Horden von jungen Leuten klammerten sich an seinen breiten Stahlleib. Allein die Spitze des beigen Kanonenrohres lugte noch aus der Fahnen schwingenden Menschentraube hervor.

Kairo im Rausch, die Menschen wissen, sie haben Geschichte geschrieben. Millionen Autohupen waren auch gestern im Dauereinsatz. Außer sich vor Freude feiern die Menschen ihren wichtigsten Sieg seit 30 Jahren, vielleicht seit Beginn des modernen Ägyptens. "Wer Ägypten liebt, macht es nicht kaputt", dröhnt es aus Lautsprechern auf dem Tahrir-Platz. Jeder Einzelne auf dem Platz der Befreiung hat seine eigenen Wünsche mitgebracht. "Wir wollen ein Land, in dem Mädchen nicht mehr belästigt werden", ruft eine Gruppe junger Frauen. "Wir werden heiraten", skandieren junge Männer, die nun auf Arbeit hoffen, um endlich eine Familie gründen zu können.

Das große Aufräumen

Gestern begann auf dem Tahrir-Platz das große Aufräumen. Das Militär transportiert ausgebrannte Autowracks ab, rollt seinen Stacheldraht ein. Soldaten verladen die zu Blechbarrikaden umfunktionierten Bauzäune auf Lastwagen. Übernächtige Demonstranten verpacken ihre Wolldecken und bauen ihre Zelte ab, während den Zeitungshändlern die Blätter aus den Händen gerissen werden. "Die Jugend hat es geschafft - Mubarak ist weg", heißt es auf den Titelblättern.

Selbst die regimetreue Regierungspresse, die die Unruhen bis zuletzt als das Werk ausländischer Agenten denunziert hatte, schloss sich notgedrungen der allgemeinen Euphorie an. Man werde künftig eine "ehrliche und konkurrenzfähige" Berichterstattung anbieten, wolle sich "nur von der Wahrheit leiten lassen" und "dem Volk dienen", hieß es am Samstag in einer auf allen Frequenzen verlesenen Erklärung.

Journalisten kündigten

Im Laufe der Unruhen waren dem Propaganda-Sender mehrere Journalisten abhandengekommen. Sie hatten gekündigt, weil sie - wie es Starmoderatorin Shahira Amin formulierte - nicht weiter Lügen verlesen wollten.

Von den Gehsteigen rund um den Tahrir-Platz sind nur noch breite Sandbahnen übrig, alle Gehwegplatten wurden während der Straßenschlachten zu faustgroßen Wurfgeschossen zertrümmert. An der verwaisten "Kentucky Fried Chicken"-Filiale hängt noch das eilig gemalte Hinweisschild auf die provisorische Klinik, die die Organisatoren im Gastraum angebracht hatten. Schräg gegenüber haben die Demonstranten ein kleines, provisorisches Mausoleum aufgebaut. Umsäumt von vier Messingsäulen, verbunden mit roten Samtkordeln sind zwei Dutzend Fotos von Getöteten um eine ägyptische Fahne herum gestellt. "Die meisten sind durch Scharfschützen gestorben", sagt Mohamed Zanan. Sein weißer Kittel ist übersät mit Unterschriften seiner Patienten zum Dank für seine Hilfe, an den Händen trägt er noch die Plastikhandschuhe des letzten Einsatzes.

Hinter ihm an der Hauswand haben seine Helfer Plastiktüten mit Klebeband befestigt, voller Mullbinden, Verbandszeug und Schmerztabletten. Hauptberuflich arbeitet der 48-Jährige in einem Medizinkonzern, in seiner Freizeit leitet er eine "Wohltätigkeitsklinik" am Stadtrand von Kairo, wo sich die Armen für umgerechnet 80 Eurocent behandeln lassen können.

Macht beim Volk

Offiziell habe der Oberste Militärrat zwar jetzt den Staat übernommen, sagt er. "Doch die Macht, die hat das Volk. Und wir werden keine Rückkehr nach 1952 erlauben", setzt er hinzu in Anspielung auf den Militärputsch der freien Offiziere unter dem späteren Präsidenten Gamal Abdel Nasser. "Wir haben unser erstes Ziel erreicht", sagt er. "Aber wir werden wachsam bleiben und die Versprechungen der Armee, auf die Reformen aufzupassen, an ihren Taten messen." Andere auf dem Platz der Befreiung denken genauso wie er. Sie wollen erst weichen, wenn sie von der Armee "klare Zusicherungen" haben, dass die Reise politisch in Richtung Demokratie und nicht in Richtung Militärdiktatur geht.

Am Nachmittag verkündete dann ein Sprecher im Fernsehen, Ägypten werde alle seine internationalen Verträge weiter anerkennen - und damit auch den Friedensvertrag mit Israel. Weiter legte die Militärführung fest, dass die von Hosni Mubarak vor zwei Wochen ernannte Regierung zunächst im Amt bleibt - und zwar auf unbestimmte Zeit. Gleichzeitig beteuerte sie erneut, Ziel sei "eine friedliche Machtübergabe", die den Weg bereite "für eine frei gewählte Zivilregierung und eine demokratische Nation".