Hunderttausende Anti-Mubarak-Demonstranten ließen sich auch am Mittwoch auf dem Tahrir-Platz in Kairo von Vizepräsident Omar Suleimans Drohungen, seine Regierung werde den Platz notfalls mit Gewalt räumen lassen, nicht einschüchtern: "Das Militär und wir sind eins", skandierten sie. Viele schlafen inzwischen jede Nacht vor den Panzern, damit die Kettenfahrzeuge nicht vom Tahrir-Platz abgezogen werden können.

Seit die Armeeführung Anfang letzter Woche durch ihren Sprecher verkünden ließ, die Anliegen des "großen ägyptischen Volkes" seien legitim und man werde nicht schießen, atmete die Menge auf dem Platz der Befreiung erst einmal auf. Dennoch blieben Zweifel - an der Haltung der Armee in diesem Ringen des Volkes mit seinem Regime.

So ist ein Video aufgetaucht, welches einen Soldaten zeigt, der nachts auf der Brücke des 6. Oktober Demonstranten mit einem grünen Laserstrahl anzielt und unter Feuer nimmt. Am Ende sieht man Helfer geduckt und in Panik zwei leblose Körper aus dem Schussfeld schleifen. Auch ließen die Kommandeure am vergangenen Mittwoch die archaischen Pro-Mubarak-Horden zu Pferd und zu Kamel einfach passieren, die dann das friedliche Lager der Regimegegner in ein blutiges Schlachtfeld verwandelten.

Seit dem Sturz der Monarchie 1952 ist Ägyptens Armee das Rückgrat der Macht. Alle Präsidenten kamen aus ihren Rängen. Auch wenn sich die Streitkräfte stets geheimnisvoll und verschwiegen geben, sie sind keineswegs ein monolithischer Block.

"Mubaraks Pudel"

Unter den Offizieren der mittleren Ränge gärt es seit Langem. "Mubaraks Pudel" nennen sie verächtlich Armeechef und Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi, wie ein geheimes Wikileaks-Protokoll aus dem Jahr 2008 berichtet. Tantawi sei inkompetent, in der Truppe herrsche eine "Kultur des Kadavergehorsams", lautete die Kritik.

Ausgerechnet dieser Eiferer der alten Garde, der bis vor Kurzem noch als eiskalter und kompromissloser Verfechter des Regimes fungierte, wird in den USA und Europa als Garant für einen demokratischen Neuanfang hofiert. 486.000 Mann hören auf sein Kommando, was Ägyptens Armee zur größten Streitmacht Afrikas macht. Weit über eine Milliarde Dollar an US-Waffenhilfe fließen Jahr für Jahr an den Nil. Zudem ist das Militär in fast allen Bereichen des Staates präsent, unterhält ein eigenes Wirtschaftsimperium, dessen Firmen pensionierte Generäle führen.

Graffiti übermalt

Der Truppe gehören nicht nur Rüstungsbetriebe, sondern auch Konzerne der Lebensmittelindustrie. Selbst in der Tourismusbranche und beim Straßenbau mischt die Armee mit, vom Regime häufig mit lukrativen Monopolen ausgestattet.

Und so stehen Ägyptens Armee heikle Wochen bevor. Denn Tantawi könnte am Ende die Rolle zufallen, auf Druck des Volkes seinen politischen Ziehvater vom Thron zu stoßen - für viele noch ein schwer vorstellbares Szenario. Umgekehrt zweifeln viele Generäle, ob sie sich bei einem harten Vorgehen gegen die Demonstranten noch auf die Loyalität der Wehrpflichtigen und mittleren Offiziere verlassen können.

Viele von ihnen sympathisieren mit den Regimegegnern und ließen in den ersten Tagen ihre Panzer vollsprühen mit Anti-Mubarak-Graffiti. Auf Befehl von oben haben sie diese inzwischen alle übermalt - aber so, dass die meisten noch gut zu lesen sind.