Der junge Mann presst den Mund zusammen, Tränen schießen ihm in die Augen. Er kann und will nicht sprechen. Stumm trägt er das Plakat durch die Menge mit dem Foto seines Freundes - erschossen von einem Scharfschützen. Fast alle auf dem Tahrir-Platz in Kairo sind gezeichnet von den Horrorszenen der letzten Tage. Viele tragen Verbände an Kopf, Armen und Beinen.

Manche schlafen erschöpft auf den Panzern, die noch immer rund um den Platz stehen. Andere erzählen, was sie mit angesehen haben - als könnten sie ihren Augen nicht trauen. Etwa ein 34-jähriger Mann. Polizisten hätten vor seinen Augen zwei Jugendliche regelrecht hingerichtet. Im Internet sind Videos zu sehen, wie gepanzerte Kleinbusse der Polizei mit Vollgas durch die Menge rasen und reihenweise Passanten niedermähen. Mindestens 300 Menschen sollen nach UNO-Angaben seit Beginn der Unruhen ums Leben gekommen sein. Selbst der ägyptische Gesundheitsminister, der bisher alle Statistiken nach Kräften herunterspielte, spricht inzwischen von mehr als 5000 Verletzten.

Tausende werden in den Gefängnissen festgehalten und gequält. Die ganze Nacht hätten sie Schreie der Gefolterten gehört, berichteten zwei US-Reporter, nachdem sie nach 24 Stunden wieder aus den Fängen der Staatssicherheit entlassen worden waren.

Doch es gibt auch Positives aus Ägypten zu berichten. Zwei Wochen nach Beginn der Massenproteste gegen Präsident Hosni Mubarak gibt es am Sonntag bei einem Treffen mit Spitzenvertretern der Opposition die Gründung eines Komitees, das bis Anfang März eine Verfassungsreform ausarbeiten soll. Einem Bericht des Staatsfernsehens zufolge wird "bald" auch der Ausnahmezustand aufgehoben, der es Mubarak seit dem Jahr 1981 ermöglichte, die Opposition zu unterdrücken. An den Gesprächen nahmen auch Vertreter der Muslimbruderschaft teil. Es ist das erste Mal, dass die Regierung mit der seit 1954 verbotenen Bewegung offen verhandelte.