Silvio Berlusconi sei besorgt in diesen Tagen, so heißt es, sehr sogar. Ängstlich schaue er von seinem Palazzo Grazioli, seinem Wohnhaus in Rom nach "Oltretevere" - hinüber auf die andere Seite des Tibers, zum Vatikan. Denn dort, so fürchtet er, verliert er derzeit an Rückhalt. Jeden Tag zitieren die italienischen Zeitungen einen anderen Würdenträger, der etwas sagt wie: "Es bleibt im Vatikan nicht unbeobachtet, was da passiert."

Gemeint ist der neueste Sex-Skandal: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Begünstigung der Prostitution. Und die Kirche geht auf Distanz.

Die Katholische Kirche und Silvio Berlusconi, sie hatten stets ein gutes Auskommen: Ob aus Taktik oder aus Überzeugung, Berlusconi machte viele Anliegen der Kirche zu seinen eigenen, politischen, ob die Aufwertung der Familie gegenüber Lebenspartnerschaften oder ein Verbot der Stammzellenforschung. Und im Vatikan hielt man sich, ob "im Gegenzug" oder ganz prinzipiell, zurück mit Kommentaren zu seinem ausschweifenden Leben.

Es galt das Prinzip, sich nicht in innere Angelegenheiten eines Staates einzumischen, auch wenn dieser Staat, Italien, vor der Haustür liegt. Doch jetzt, da es um Straftaten geht, scheint auch die Beziehung am Ende. Bereits am Dienstag druckte der vatikanische "Osservatore Romano", das sonst wenig spannende Amtsblatt, in voller Länge das empörte Commmuniqué von Italiens Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, in dem er "volle Aufklärung" von Berlusconi verlangte. Am Donnerstag ermahnte der zweite Mann hinter dem Papst, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, zu "größerem moralischen Handeln in der Politik". Und auch Benedikt XVI. selbst verfolgt offenbar persönlich den Berlusconi-Skandal. Gestern sagte er in einer Audienz: "Der Staat muss seine Seele wiederfinden, seine moralischen Wurzeln." Das habe er auf Berlusconi bezogen, tuschelten danach die Vatikanisti, die Vatikanreporter der italienischen Medien.

Schockierend

Am Montag wird sich der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz äußern - und sich zuvor mit dem Vatikan absprechen. Der katholische "L 'Avvenire", die Zeitung der Bischöfe, wird zum Schimpf-Sprachrohr: "Allein die Vorstellung, dass ein Mann an der Spitze des Staats in Prostitution oder gar in Prostitution einer Minderjährigen verwickelt ist", so hieß es in einem Kommentar der katholischen Zeitung, "ist schädlich und schockierend."