Die sich täglich zuspitzende Regierungskrise in Italien führt zu einer Fülle von Spekulationen und einer überraschenden Einheit zwischen Koalition und Opposition. Vor einem Rücktritt oder Sturz des Premiers Silvio Berlusconi und seines Mitte-Rechts-Kabinetts müsse angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage das Haushaltsgesetz verabschiedet werden, befanden alle großen Parteien in seltener Einmütigkeit. Damit verzögern sich geplante Vertrauensabstimmungen voraussichtlich auf Mitte Dezember.

Nachdem die Opposition einen Misstrauensantrag eingereicht hatte, ging Berlusconi zur Attacke über, indem er eigene Vertrauensabstimmungen ankündigte. Die Fraktionsvorsitzenden werden am Dienstag das Abstimmungsprogramm der kommenden Wochen beschließen. Bis zum Freitag könnte der Haushalt von der Abgeordnetenkammer verabschiedet werden. Nach einer Überprüfung durch die Haushaltskommission wird die Vorlage vermutlich Anfang Dezember in den Senat eingebracht.

Bis zum 14. Dezember wird das Verfassungsgericht voraussichtlich ein Gesetz zum Schutz des Ministerpräsidenten vor der Justiz kassieren. Damit müsste sich der Noch-Regierungschef, der sich mehrfach um Immunitätsgesetze bemühte, wieder der Justiz stellen.

Berlusconi reagiert auf Fini

Im Anschluss an die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes Mitte Dezember plant Berlusconi eine Regierungserklärung. Damit will er auf den für diesen Montag angekündigten Rückzug der vier Minister seines langjährigen Weggefährten, des derzeitigen Kammerpräsidenten Gianfranco Fini, aus der Regierung reagieren. Daraufhin möchte er zunächst im Senat, in dem seine Mehrheit weiterhin als sicher gilt, und anschließend in der Abgeordnetenkammer die Vertrauensfrage stellen. Für die Abstimmung in der unteren Parlamentskammer rechnet sich ein eigens zu diesem Zweck geschmiedetes Bündnis gute Chancen aus. Fini profiliert sich mit zwei seiner langjährigen Gegner als Alternative zu Berlusconi. Gemeinsam mit den oppositionellen Christdemokraten um Pier Ferdinando Casini und Roms Ex-Bürgermeister Francesco Rutelli will er den Sturz herbeiführen.

Bislang lehnt Berlusconi jedoch alle Rücktrittsforderungen kategorisch ab, die sein einstiger Kronprinz Fini nach zahlreichen Skandalen um Sex-Partys und in illegale Machenschaften verwickelte Regierungsmitglieder erhebt. Um einer drohenden Niederlage zuvorzukommen, könnte der Premier jedoch der Bildung einer neuen Regierung unter dem derzeitigen Minister für Finanzen Giulio Tremonti, für Justiz Angelino Alfano oder für Inneres, Roberto Maroni, zustimmen. Tremonti und Maroni stammen aus dem Umfeld von Berlusconis wichtigstem Bündnispartner Lega Nord.