Silvio Berlusconi sind die Witze ausgegangen. Als einziger Regierungschef sagte er am Ende des G-20-Gipfels von Seoul in letzter Sekunde das geplante Treffen mit Journalisten ab und trat fluchtartig die Heimreise an. Die von der italienischen Botschaft eingeladenen Journalisten hätten ihn nicht nur nach den Ergebnissen des Gipfeltreffens, sondern auch nach der sich stündlich weiter zuspitzenden Regierungskrise im eigenen Land befragen wollen. Aggressive Fragen bügelte der italienische Ministerpräsident bislang mit mehr oder weniger geschmackvollen Scherzen ab.

Berlusconis langjähriger Weggefährte Gianfranco Fini will Anfang kommender Woche mit seinen vier Ministern das Kabinett verlassen. Die Opposition plant einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. Selbst Gianni Letta, ranghöchster Staatssekretär beim Ministerpräsidenten und in den Augen vieler Italiener Drahtzieher hinter Berlusconis politischen Entscheidungen, sieht die Überlebenschancen der Regierung erstmals öffentlich schrumpfen.

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Selbst die bis vor wenigen Tagen minderjährige Marokkanerin, deren vorangegangene Begegnung mit Berlusconi das Fass seiner Sex-Skandale zum Übergelaufen gebracht hatte, versteht keinen Spaß mehr. "Silvio ist kein Freund", sagt die junge Frau, die nach einem Anruf aus dem Umfeld des Premiers auf dem Mailänder Kommissariat, in dem sie wegen Diebstahls festsaß, auf freien Fuß gesetzt wurde. Nach dem Skandal um sie und Berlusconi werde sie sicher nie die italienische Staatsangehörigkeit erlangen, meint die mehrfach aus der Obhut von Pflegeeinrichtungen entwichene Diskotheken-Schönheit. In Zukunft will sie in Catania Bauchtanz lehren, "auch wenn ich keine Ägypterin bin". Der Anrufer aus Berlusconis Umfeld hatte sich auf dem Kommissariat mit dem Argument, sie sei eine Verwandte des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, für ihre Freilassung starkgemacht.

Fini fordert den Rücktritt

Während die junge Marokkanerin dank ihrer Besuche bei Berlusconi-Partys weiterhin die Medien beherrscht, suchen Kammerpräsident Fini und Lega-Nord-Chef Umberto Bossi weiter nach einem Ausweg aus der Krise. Die beiden Erzfeinde in dem Berlusconi-Bündnis kamen sich auch bei einer eigens zu diesem Zweck eingeräumten persönlichen Begegnung nicht näher. Fini fordert den Rücktritt des Ministerpräsidenten und die Bildung einer Übergangsregierung. Berlusconi lehnt die Forderung kategorisch ab und droht im Falle eines Sturzes seiner Regierung mit Bürgerkrieg.