Trügt der Eindruck, dass Sie in letzter Zeit recht leise geworden sind?

CLAUDIA SCHMIED: Leise? Auf Erwin Pröll und den Vorstoß der Verländerung habe ich deutlich reagiert. Der politische Herbst beginnt jetzt, nach der Wiener Wahl. Wir haben im letzten Jahr einige Großprojekte auf Schiene gebracht: Die Bildungsstandards werden bis 2012 umgesetzt, die Zentralmatura bis 2014. Das ist noch viel Arbeit, 5795 Schulstandorte in ganz Österreich betrifft es und es bedeutet einen Wechsel in der Schulkultur: Wir kommen weg von der reinen Ressourcensteuerung hin zu einer Ergebnissteuerung, für die wir eine Rückmeldekultur an den Schulstandorten einrichten müssen, von den Schülern zum Lehrer, vom Direktor zum Lehrer...

... also ein verpflichtendes Lehrer-Feedback?

SCHMIED: Ich möchte, dass es ein selbstverständliches Feedback wird, aber am Anfang wird es einer Verpflichtung bedürfen. Es muss uns gelingen, dass die Lehrer noch stärker die Verantwortung für ihre Schüler übernehmen, die Direktoren die Verantwortung für ihre Lehrer, usw.

Gibt es neue Akzente im Herbst?

SCHMIED: Wir haben mehrere Projekte, die alle noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen: die Weiterentwicklung der Schulaufsicht in Richtung Qualitätsmanagement, ein klares Aufgabenprofil für die Schulleiter ...

Wie zügig ist die Personalhoheit umsetzbar?

SCHMIED: Das hängt mit dem Dienst- und Besoldungsrecht zusammen, unserem dritten Projekt, da sollen mit Jahreswechsel die Verhandlungen starten. Projekt Nummer 4 ist die gemeinsame Lehrerbildung, wo wir im November mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl schon ins Finale gehen wollen.

Ist die gemeinsame Ausbildung aller Mittelstufenlehrer bereits akkordiert?

SCHMIED: Es wird eine Grundausbildung für alle pädagogischen Berufe geben und es besteht Übereinstimmung auch darüber, dass es ein Aufnahmeverfahren geben wird. Wir wollen, dass die Entscheidung "Ich werde Lehrer" eine bewusste Entscheidung ist.

Das gilt auch für die Studierenden an den Universitäten?

SCHMIED: Ja.

Warum geht mit der Neuen Mittelschule nichts weiter?

SCHMIED: Mir ist das Ziel der gemeinsamen Schule für alle 10- bis 14-Jährigen ganz, ganz wichtig. Daher wäre eine Erhöhung der Prozentsätze gut, für die, die sich auf den Weg machen wollen.

Zuletzt haben Sie da auf Granit gebissen. Warum hoffen Sie trotzdem auf eine neue Achse mit der ÖVP? Und müsste nicht der nächste Schritt die Entscheidung zur Totalumstellung mit Zeitplan sein?

SCHMIED: Ja. Entweder es gelingt noch in diesem Herbst, hier wirklich einen substanziellen Schritt weiterzukommen oder ...

... das hieße?

SCHMIED: Ein Aufmachen der Sekundarstufe I, ein Wegkommen von der Fixierung auf die Volksschulnoten als Knockout-Kriterium für den weiteren Bildungsweg, und das geht wohl nur mit der gemeinsamen Schule. Beatrix Karl ist ein Hoffnungsschimmer, mit ihrem Plädoyer für das "Gymnasium für alle" vor dem Sommer.

Und wenn es zu diesem Aufbruch nicht kommt?

SCHMIED: Dann bleiben wir bei der Vereinbarung, die wir haben. Das heißt, wir evaluieren die gemeinsame Schule im Jahr 2012, dann haben wir die Grundlagen und die nächste Regierung wird die Entscheidung treffen. Was mich im Augenblick ärgert, ist, dass wir uns nicht auf diese Zukunftsthemen konzentrieren, sondern ich damit beschäftigt bin, eine Diskussion, die in die völlig falsche Richtung führt, wieder auf die Bahn zu bringen. Damit meine ich den Vorstoß der Verländerung. Aber Erwin Pröll und seine Landeshauptleute stehen damit ohnehin alleine da.

Ist denkbar, dass man der ÖVP ein Ja zur gemeinsamen Schule abringt, als Gegenleistung für ein Ja der SPÖ zu Studiengebühren?

SCHMIED: Dass wir über die Parteigrenzen hinweg im Bildungsbereich zu einem Schulterschluss kommen, scheint mir unabdingbar. Die Haltung der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer, der Kirchen, der Eltern, bestätigt mich darin. Wir haben schon so eine breite Bewegung, die haben will, dass in der Bildungspolitik etwas weitergeht, dass Ministerin Karl und ich nahezu natürliche Bündnispartner auf dem Weg dorthin sind.

Wie sähe Ihr Stufenplan in Richtung gemeinsame Schule aus?

SCHMIED: Der bisherige Weg hat eines klar gemacht: Wir brauchen die Rahmenbedingungen, aber wir brauchen auch das Engagement an jedem einzelnen Standort. Ho ruck geht das nicht. Wir müssen Möglichkeiten des Mittuns für die Schulen aufmachen, aber mit einem Zieldatum, bis zu dem alle müssen. Das ist wichtig.

Die Gymnasien bekommt man nur mit diesem verbindlichen Zieldatum ins Boot?

SCHMIED: Offenbar. Ich muss jetzt auch einmal etwas Positives über die Gymnasien sagen: Wie sie sich jetzt engagieren bei der neuen Matura ist vorbildhaft. Wir haben von Monat zu Monat mehr Schulen, die mitmachen. Warum? Weil sie wissen: 2014 findet die neue Matura in jedem Fall statt, das ist gesetzlich fixiert.

Viele engagierte Lehrer, die die neue Matura erproben, haben auch Angst, dass sie die Freiräume der individuellen Gestaltung des Unterrichts verlieren. Wie nehmen Sie denen die Angst?

SCHMIED: Informieren, informieren, informieren. Die Freiräume bleiben ja bestehen, bei der wissenschaftlichen Arbeit, bei den mündlichen Fragen im Thementopf, auch beim schriftlichen Teil, wo es um Kompetenzen geht, nicht um starres Faktenwissen. Da sind wir auch dabei, die Lehrpläne umzustellen.

Was ist beim Dienstrecht schon außer Streit gestellt?

SCHMIED: Von mir aus klar, weil notwendig, sind attraktivere Einstiegsgehälter, denn wir haben einen Lehrermangel, sind in einem sehr kompetitiven Umfeld mit Bayern und der Schweiz. Und mein Traum wäre, dass wir von diesem Denken in der Matrix - ein Lehrer, ein Fach, 50 Minuten - wegkommen. Dass wir zu einer Kernarbeitszeit mit den Schülern kommen, in der der Lehrer an der Schule anwesend ist, ergänzt um Vor- und Nachbereitungszeit und Zeit für Schulentwicklung. Mein Bild ist nicht, dass man von 8 Uhr bis 17 Uhr in der Schule sitzt, aber das Arbeitsprofil muss neu gedacht werden. Und wenn ein Direktor mit mehr Leitungsverantwortung als bisher das Schulprofil weiterentwickeln will, muss er am Nachmittag seine Lehrer an einen Tisch holen können.

Wir haben zu wenig Geld für die Bildung, trotz sinkender Schülerzahlen. Woher nehmen?

SCHMIED: Die Verwaltung ist es nicht. Wenn ich morgen das Ministerium zusperre und die Bundesbediensteten aus den Landesschulräten abziehe, erspare ich mir 118 Millionen Euro bei einem Gesamtbudget von 7,4 Milliarden Euro. Wenn ich die Bezirksschulräte streiche, wofür ich ja bin, bringt das fünf Millionen Euro.

Wo ist dann Geld zu holen?

SCHMIED: Bei 85 Prozent Personalausgaben ist das natürlich das Dienst- und Besoldungsrecht. Und die teuren Kleinschulen, aber das ist Sache der Länder.

Mehr Leistung ums selbe Geld?

SCHMIED: Eine andere Aufteilung der Lehrverpflichtung, mehr Zeit bei den Kindern. Ich hab's versucht. Jetzt konzentrieren wir uns auf das neue Dienstrecht für neue Lehrer. Auch in Bayern oder in der Schweiz ist die Aufteilung der Arbeitszeit eine ganz andere.

Brauchen Sie fürs Budget weniger Geld, weil es weniger Schüler gibt, oder wieder mehr?

SCHMIED: Wir werden bis 2012/2013 noch mehr Geld brauchen, auch wegen unseres Großprojekts "mehr Ganztagsschulen", vor allem aber wegen der Altersstruktur der Lehrer. Erst ab 2013/2014 wirkt sich aus, dass viele in Pension gehen und jüngere nachkommen.