Es war die Volkswahl zum Präsidenten Rest-Jugoslawiens (Serbien und Montenegro) am 24. September 2000, die den Sturz von Slobodan Milosevic einleitete. Der serbische Autokrat versuchte seine Niederlage, die er trotz massiver Wahlfälschung erlitten hatte, durch die Annullierung des Ergebnisses zu verhindern. Doch am 5. Oktober wurde Milosevic vom (organisierten) Volkszorn, der sich im Sturm auf das Bundesparlament und das staatliche Fernsehen entlud, hinweggefelgt. Polizei und Armee blieben neutral; am 6. Oktober gestand Milosevic seine Niederlage ein, und am Abend des 7. Oktober wurde sein siegreicher Gegenkandidat Vojislav Kostunica im Bundesparlament als neuer Präsident Jugoslawiens vereidigt, vier Monate danach sein demokratischer Gegenspieler Zoran Djindjic als Ministerpräsident angelobt.
Mühsame Reformen
Die Reformen konnten beginnen, doch die Ausgangslage war extrem schwierig. Die serbische Wirtschaft war ruiniert und kriminalisiert, das Land war praktisch bankrott und die Infrastruktur in katastrophalem Zustand. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Denn am 12. März 2003 endete der Traum vom großen Sprung vorwärts. Zoran Djindjic wurde im Hof des Regierungsgebäudes in Belgrad durch einen Scharfschützen ermordet.
Nach Ausnahmezustand und vorgezogenen Parlamentswahlen wurde Kostunica Regierungschef und die Ultranationalisten stärkste Kraft im Parlament.
Die Destabilisierung Serbiens ging unterdessen weiter: 2006 wurde Montenegro unabhängig - und Serbien widerwillig ein selbstständiger Staat -, 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit. Damit gibt es zwei ungelöste Grundprobleme: General Ratko Mladic, der für das Massaker an 7000 Bosniaken in Srebrenica verantwortlich gemacht wird, ist noch in Freiheit und Belgrad findet keinen modus vivendi mit dem Kosovo.
Und die Bilanz zehn Jahre nach Slobodan Milosevics Sturz? Auf der Habenseite stehen die Reform des Bankensektors, manche erfolgreiche Privatisierungen, die Visa-Liberalisierung für den Schengenraum und die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens, dessen Ratifizierung in der EU aber erst begonnen hat.
Die erste Schwulen-Parade
Negativ zu bewerten sind viele versäumte oder nur halbherzig ausgeführte Strukturreformen, mangelnder Wettbewerb in Serbien und mangelnde Konkurrenzfähigkeit außerhalb, enormer Zeitverlust sowie eine außenpolitische Schaukelpolitik zwischen EU und Titos Politik der Blockfreiheit, die aus Mangel an Blöcken sinnlos geworden ist. Doch laut Umfragen sind 80 Prozent der Serben der Ansicht, dass sie unter Titos Sozialismus am besten gelebt haben.
Die Abkehr von Mythen und Illusionen fällt aber nicht nur Serbien schwer. Trotzdem gibt es Änderungen; schlagendes Beispiel dafür ist die erste Schwulen-Parade, die nun am 10. Oktober in Belgrad stattfinden soll. Geschützt wird sie von 5000 Polizisten. Ein Fortschritt zweifelsohne. Doch Korruption und organisierte Kriminalität machen Serbien nach wie vor zu schaffen. Der Traum von einem EU-Beitritt vor 2020 wird wohl ein Traum bleiben.