Die SPÖ ist alt. Sie wurde 1889 gegründet. Sechs von acht Bundespräsidenten der Zweiten Republik waren SPÖ-Kandidaten. Seit 1970 war man in 37 von 44 Jahren die Kanzlerpartei. So viel Tradition ist ehrenwert, Stabilität der Paradeslogan von Werner Faymann & Co.

Die Regierungsmacht führt jedoch dazu, dass sogar nur 40 Prozent der SPÖ-Wähler glauben, die Partei habe neue Ideen. Das Parteiprogramm wurde 1998 geschrieben. Damals beglückte Monica Lewinsky den US-Präsidenten, hatte Hans Hermann Groër in der Kirche sein letztes Amt und nutzten weniger als 10 Prozent der Österreicher regelmäßig das Internet. Modern sieht anders aus.

Mit der Programmreform beauftragt wurden Karl Blecha, 81 Jahre alt, und Josef Cap, der 62 Jahre zählt. Vorsitzender der Sozialistischen Jugend wurde Cap 1978. Im Nationalrat sitzt er seit 32 Jahren. Strukturell verhindern Gremiensitzungen sowie ewig gleiche Reden- und Fernsehauftritte das Bild einer jungen SPÖ. Eine Kommunikation via Facebook, Twitter & Co. ist in den Kinderschuhen. Die Erwartungshaltung gegenüber Medien und Journalisten wirkt aus einer Zeit, als der Proporz herrschte und Inserate die gültige Währung waren.

Alt sind genauso die Wähler der SPÖ, daher passt die Zielgruppenorientierung. Dürften bundesweit nur Pensionisten abstimmen, so gäbe es über ein Drittel der Stimmen und der erste Platz wäre sicher. Bei einem aktuellen Umfragestand von rund 25 Prozent ist das sehr viel. Klassische Wähler sind nicht Arbeiter und Angestellte mit kleinerem Einkommen, sondern Ex-Hackler in Pension. Bei den unter 30-jährigen Männern hatte man zuletzt 16 Prozent der Stimmen.

Rendite für Vergangenheit

Zum Glück der SPÖ gibt es mehr ältere als jüngere Wähler. Wer 2013 die Partei wählte, tat das nach den Daten der Wahlmotivforschung aus Wertschätzung der bisherigen Arbeit und nicht wegen der Zukunftskonzepte. Eine langjährige Kanzlerpartei kann nicht als Revoluzzer auftreten. Ihre Politik ist erzwungen, weil Pensionen und sichere Arbeitsplätze für jeweils rund 80 Prozent der Parteibefürworter wichtig sind.

Pensionsreformen wären für Bundeskanzler Faymann der doppelte Schuss ins wahlstrategische Knie: Er würde sich bei jenen ins Abseits stellen, welche arbeitsmäßig auf den frühen Lebensabend hoffen, und müsste Altersarbeitslose befürchten. Wer auf die Mobilisierungskraft von Blechas Pensionistenverband und Gewerkschaften angewiesen ist, kann nicht gegen diese politischen Selbstmord begehen.

Faymann ist ein Taktiker der Macht, der parteiintern Allianzen schmiedet. Der Vorwurf, er wäre ein pragmatischer Moderator, muss für den von der Verfassung mit wenig Kompetenzen ausgestatteten Bundeskanzler kein Nachteil sein. Polterer und Visionäre können schnell zur ohnmächtigen Lachnummer werden. Der Regierungschef wird dadurch selbst zum Symbol mangelnder Innovationskraft.

Parallel dazu werden die Reihen umso dichter geschlossen, je kleiner der zu verteidigende Machtbereich wird. Das funktioniert insofern, als es meistens weniger öffentliches Tohuwabohu als beim Regierungspartner gibt.

Verlustreich für die SPÖ ist ihre Einteilung des Landes in ein Freund- und Feindschema, bei dem es parteipolitisch Verbündete und Gegner gibt. Nichts dazwischen. Man ist in der roten Familie oder muss bekämpft werden. Wobei der uralte Klassenfeind ÖVP heißt. Faymann grenzt sich energisch von der FPÖ ab, doch seine Partei greift sie selten frontal an.

Wenn sich SPÖ und ÖVP streiten und nicht gegen die FPÖ einig sind, so haben sie keine Perspektiven. Eine frühere Spitzenfunktionärin der SPÖ dazu: "Es ist nicht allein so, dass unsere Leute nichts anderes gelernt haben, als die ÖVP zu attackieren. Sie tun es wider besseres Wissen, weil es leichter ist."

Leistet sich die FPÖ einmal weniger rechtslastige Ausrutscher, so fehlen der SPÖ Offensivstrategien gegen sie. Sozialpolitische Kritik wird allzu stereotyp gekontert, man hätte die Schrecken der Wirtschaftskrise besser als andere EU-Länder gemeistert. Das ist statistisch richtig. Doch wer subjektiv Enttäuschung empfindet, ist mit der Antwort unzufrieden.

Keine Ansage für Zukunft

Die altbekannten Forderungen der SPÖ richten sich gegen die ÖVP und enthalten wenig Widerspruch zur FPÖ. Ob wir eine fehlende Verteilungs- oder mangelnde Leistungsgerechtigkeit haben, ist ein Ideologiestreit mit dem schwarzen Pendant. Faire Löhne und niedrigere Steuern kann die Opposition lautstärker verlangen. Zudem punktet sie polemisch, warum die Regierung nicht das Füllhorn ausschüttet.

Was die SPÖ bräuchte, sind drei Dinge: Eine Fokussierung ihrer Kommunikation auf die FPÖ, neue Inhalte - und vielleicht sogar die gewagte Ansage einer Koalition mit Grünen und Neos, um dem Image des Abwicklers der letzten rot-schwarzen Koalition zu entkommen.

Bei den Dreieravancen ist die ÖVP wirklich der Hauptgegner, und Reinhold Mitterlehner könnte Werner Faymann zuvorkommen.