Die Grünen werden gewählt, weil sie für ihre Anhänger die glaubwürdigste Kontrollpartei sind. Dahinter folgt als Wahlmotiv die Parteichefin, Eva Glawischnig. Vor allem jedoch wollen ihre Wähler sie in der Regierung sehen. So weit, so gut. Nachdenklich sollte es grüne Strategen stimmen, dass rund die Hälfte der eigenen(!) Fans frische Ideen vermisst.

Fragt man, welche Themen Sympathisanten vor Wahlen am meisten diskutieren, so rangiert der Kampf gegen Korruption nur auf dem dritten Platz. Hinter Umwelt und Bildung. Ein neues Fukushima würde Wahlerfolge garantieren. Sogar die Mehrheit der Nicht-Parteiwähler hält da die Grünen für kompetent. Bei den Parteiwählern sind es rekordverdächtige 94 Prozent.

Beim Bildungsthema wiederum gibt es keine Themenführerschaft, am allerwenigsten in der Schulpolitik. Die Verliebtheit in Universitätsfragen ist angesichts der Hochschülerschaft als Basis und des Lebenslaufs mancher Grüner emotional nachvollziehbar. Trotzdem macht sie aus Sicht der Bundespartei strategisch bedingt Sinn. In der Wählerschaft stehen 2,4 Millionen Eltern von Schulkindern 300.000 Studierenden gegenüber.

Gar nichts bis wenig zu gewinnen gibt es für Glawischnig & Co bei Themen wie Kriminalität, Gesundheit, Pflege und Wohnen. Das Dilemma hoher Mietpreise haben Grünen-Politiker lange verschlafen und sich in Graz von der KPÖ wegnehmen lassen. In Wien versucht Maria Vassilakou auf den Zug aufzuspringen, nachdem man sich lange nur auf Fahrradwege konzentriert hat, das ist eine späte Kurskorrektur.

Prozentuell sind es vor allem jüngere Frauen, welche am öftesten eine Grünen-Stimme abgeben. Auf Gesamtwahlergebnis bezogen ist das weniger gut, als es klingt. Lediglich jede Zehnte aller Wahlberechtigten ist weiblich und unter 30 Jahre alt. Selbst wenn die Grünen ein Viertel davon begeistern, gibt es hier weniger zu holen als bei den Pensionisten.

Die Städte zählen

Wichtiger sind als Fundament grüne Spitzenergebnisse in den Städten. In der EU-Wahl 2014 lag man in neun von 23 Wiener Bezirken auf Platz eins. Der Teilsieg als Erste in Graz bei der Nationalratswahl 2013, das zählt. Es gibt freilich neben den Städtern noch eine Bevölkerungsgruppe, die häufig die Grünen wählt, nämlich Akademiker.

Hätten 2013 nur Österreicher mit Uni-Abschluss abgestimmt, so wären die Grünen nach den Daten der ISA/SORA-Wahlforschung auf dem ersten Platz gelandet. Auch das hört sich gut an, und ist in Wahrheit ein zweischneidiges Schwert. Nicht nur, dass der formale Bildungsgrad nichts mit Intelligenz zu tun hat - sowohl kluge als auch dumme Menschen gibt es überall und in jeder Partei -, es droht den Grünen das Image der Oberg'scheiten ohne Bezug zum echten Leben.

Trotz des Trommelns für Öko-Jobs gelingt es selten zu vermitteln, man könne Arbeitsplätze sichern. Zugleich kämpfen die Grünen mit dem Eindruck, dass Sozialpolitik für sie gesellschaftspolitisches Anliegen ist, ohne die Welt der Betroffenen zu verstehen. Wenn Linksideologen oder "Bobos" die Situation von Otto Normalverbraucher erklären, so hat das den Beigeschmack von Besserwisserei und Elitärem.

Bürgerliche Gutverdiener

David Brooks, der Erfinder des Begriffs, beschreibt Bobos ("Bohème Bourgeois") als Mischung von konservativen Pseudo-Alternativen und kapitalistischen Jeansträgern. Folgerichtig sind die meisten Grünen-Wähler bürgerlich-liberale Gutverdiener. Linke Fundis unter den Grünen-Abgeordneten stehen in Konflikt mit solchen Realos, die gleich einer Traditionspartei regieren wollen.

Die Schlüsselfrage für die Bundesgrünen ist ihr Weg in die Regierung. Einerseits scheint die Schwäche von SPÖ und ÖVP ihnen nach Oberösterreich, Wien, Kärnten, Salzburg und Tirol alle Türen einer Dreiervariante geöffnet zu haben. Andererseits treten vielleicht die Neos früher über die Schwelle.

Konflikt um Kurs

Vor allem gibt es zwei Hürden. Erstens hat die Opposition gegen die Regierenden zu argumentieren. Das hört sich hohl an, solange SPÖ, ÖVP und Grüne die wahrscheinlichste Regierung sind. Abhilfe würde bringen, sich mit den Neos auf die Seite von Werner Faymann oder Michael Spindelegger zu schlagen. Was unmöglich ist. Somit bleibt das Herumeiern mit allen Optionen.

Zweitens muss das Bild der Regierungsfähigkeit gepflegt werden, was in der Hauptstadt und daher auf Bundesebene Schwierigkeiten mit sich bringt. Bürgerliche Wähler werden abgeschreckt, wenn die Parteispitze mit ihrer Jugendorganisation darüber streiten muss, dass der Slogan "Unseren Hass, den könnt ihr haben!" Blödsinn ist.

Das stand auf der Junge-Grüne-Internetseite. Bei Wiener Demonstrationen gegen Veranstaltungen der Rechten wiederholen sich missverständliche Aussagen von Grünen-Aktivisten, dass der Satz "Gewalt ist dumm und falsch!" nicht 100-prozentig gelten würde. Das staatliche Gewaltmonopol infrage zu stellen und Verantwortung in der Regierung übernehmen zu wollen, das ist ein Widerspruch in sich. Also muss Eva Glawischnig etwas tun, das der Parteitradition und -kultur entgegen läuft: Die Reihen schließen und Vorfeldorganisationen disziplinieren.

Peter Filzmaier ist Professor für Politische Kommunikation an der Donau-Universität Krems und an der Karl-Franzens-Uni Graz