Nachdem Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im Februar Wien als Verhandlungsort der Atomgespräche mit dem Iran erfolgreich etablieren konnte, kommen nun die Top-Diplomaten der Weltmächte zu einem "Wiener Atomkongress" zusammen.

Ab Samstag könnte es im seit elf Jahre andauernden Streit rund um die iranische Urananreicherung zu einem ersten Showdown kommen. Die Außenminister John Kerry (USA), Laurent Fabius (Frankreich), William Hague (Großbritannien) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland) reisen nach Wien, um mit ihrem iranischen Amtskollegen Javad Zarif eine Lösung im Konflikt zu avisieren.

China und Russland werden auf Ebene der Vizeaußenminister oder ranghohen Diplomaten an den Verhandlungen der 5+1-Gruppe (fünf UNO-Vetomächte plus Deutschland) mit dem Iran teilnehmen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow weilt mit seinem Chef, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, in Südamerika und könnte bei Bedarf im Laufe der nächsten Woche ebenso wie sein chinesischer Kollege Wang Yi nachfliegen.

US-Außenminister Kerry in Wien gelandet

US-Außenminister John Kerry ist am Sonntagfrüh in Wien eingetroffen. Er landete in den frühen Morgenstunden am Flughafen Wien, wie die Agentur AFP über Twitter meldete. Kerry will am Sonntag in Wien an einem Außenministertreffen im Rahmen der Iran-Atomgespräche teilnehmen.

Die Ankunft des US-Außenministers in Wien hatte sich verzögert, weil Kerry bis Samstagabend noch in Kabul im Streit um die afghanische Präsidentenwahl vermittelt hatte. Am Sonntag werden in Wien neben Kerry außerdem die Außenminister Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs, Frank-Walter Steinmeier, William Hague und Laurent Fabius erwartet, um mit ihrem iranischen Amtskollegen Javad Zarif eine Lösung im Konflikt zu suchen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte die Außenminister zu einer "Bestandsaufnahme" der stockenden Verhandlungen, eine Woche vor dem Auslaufen des Übergangsabkommens am 20. Juli, geladen.

USA bekräftigen Kritik am Iran

Wenige Stunden vor dem Treffen bekräftigten die USA am Samstagabend noch einmal ihre Kritik an der iranischen Haltung. Der Iran halte an "nicht umsetzbaren und unangemessenen" Positionen fest, sagte ein US-Diplomat in Wien. Er zeigte sich skeptisch zu einer möglichen Verlängerung der Atomgespräche, sollte es keine "wesentlichen Fortschritte" geben

Bei dem Treffen dürfte es auch um andere internationale Streitfragen gehen. So werden Kerry und Zarif wohl auch über die Lage im Irak sprechen, wo Washington und Teheran in der radikalsunnitischen Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) einen gemeinsamen Feind haben. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier will mit seinem US-Kollegen außerdem die Affäre um CIA-Maulwürfe im deutschen Sicherheitsapparat besprechen. Laut dem britischen Außenminister William Hague wollen die vier westlichen Spitzendiplomaten auch die Lage im Nahen Osten erörtern.

Der Iran verhandelt mit den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland über ein dauerhaftes Abkommen zur Beilegung des Konflikts über sein Atomprogramm. Wichtigster Streitpunkt ist das Beharren des Iran auf Zentrifugen zur Urananreicherung. Die Vetomächte Russland und China sind bei der Gesprächsrunde am Sonntag nicht mit ihren Außenministern vertreten.

Geschichte wiederholt sich

Vergleiche mit dem Wiener Kongress 1814/15 vor exakt 200 Jahren, im Rahmen dessen sich die Weltpolitik ebenfalls in der österreichischen Hauptstadt eingefunden hatte, sind gar nicht so abwegig. In beiden Fällen dient(e) Wien als Drehscheibe der internationalen Politik zur Lösung eines wichtigen Konfliktes. Damals war der Anlass die Krise nach der Niederlage von Napoleon Bonaparte, heute der Atomstreit mit dem Iran. Im Gegensatz zum Wiener Kongress wird bei den Atomgesprächen aber nicht "getanzt", sondern am Sonntagabend das WM-Finalspiel zwischen Deutschland und Argentinien verfolgt - das erklärte zumindest Steinmeier schon im Vorfeld. Der Ausdruck "Der Kongress tanzt, kommt aber nicht vorwärts" nahm 1814/15 Bezug auf die von Diplomaten als schleppend empfundenen Verhandlungen bei gleichzeitig übertriebenem Pomp bei den Veranstaltungen.

Moderiert wird der hochkarätige Reigen erneut von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton im noblen Wiener Innenstadtpalais Coburg. Auch der Aufwand des Kongresses ist dem seines großen Vorgängers ähnlich. Hunderte Journalisten sind bereits in Wien und in puncto Sicherheit herrscht höchste Alarmstufe für die Spitzendiplomaten. Zahlreiche Mitarbeiter sollen den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung garantieren. Die Liste der Besonderheiten ist lang: Bedenken muss man etwa, dass der Fastenmonat Ramadan es den Persern verbietet während des Tages zu essen. Außerdem wurden sämtliche Innenstadthotels für die großen Delegationen der prominenten Gäste gebucht, um das Kommen und Gehen der Teilnehmer zu erleichtern. Viele der Gäste etwa haben das in nächster Nähe zum Coburg gelegene Hotel Marriott gebucht, das nur eine Gehminute entfernt ist.

Fahrplan

Und worum geht es beim "Wiener Atomkongress"? Am Sonntag ist ein Mittagessen geplant, bei dem alle Verhandlungspartner teilnehmen sollen, um ein Brainstorming und einen Status quo zu eruieren. Danach sollen die Top-Diplomaten als Mediatoren Mittel und Wege finden, wie die Chancen für einen Verhandlungserfolg stehen. Michael Mann, Ashtons Sprecher, sprach in diesem Zusammenhang im Gespräch mit der APA von Inventur. Die Rechnung ist einfach: Der Iran muss dem Westen transparente Garantien dafür abgeben, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlich ist. Im Gegenzug will der Westen die schmerzhaften Wirtschaftssanktionen gegen Teheran stufenweise suspendieren. Knackpunkte sind derzeit vor allem das iranische Raketen- und Waffenprogramm und die Zahl der Zentrifugen. Wenn alles gut läuft, so Verhandlungskreise, könnten die Minister in einer Woche abermals nach Wien kommen, um einen endgültigen Deal zu unterzeichnen. Von diesem "Idealszenario" sei man derzeit aber noch "weit entfernt".