Die Briten machten sich gerade daran, Erinnerungen an einen weiteren beliebten Entertainer zu vernichten, da wird über ein Dossier spekuliert, das ein Abgeordneter der Labour-Partei 1983 dem damaligen Innenminister Leon Brittan zuleitete - und das verschwand.

Der einstige BBC-Starmoderator Rolf Harris trat am Wochenende seine Haftstrafe an. In drei Jahren könnte der 84-jährige ehemalige TV-Kinderonkel wieder auf freiem Fuße sein, der wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in zwölf Fällen schuldig gesprochen wurde.

"Die Politik ist der letzte Zufluchtsort für den Missbrauch von Kindern", glaubt Danczuk, der Abgeordneter im Wahlkreis Rochdale ist, wo der inzwischen wegen Kindesmissbrauchs enttarnte Liberale Cyril Smith bis 1992 Abgeordneter war. "Er hörte erst damit auf, als er 2010 starb", so Danczuk, der ein Buch über den Fall schrieb. Demnach gab es im Laufe der Jahre 140 Beschwerden gegen Smith, der gerne als Aufseher von Waisenhäusern sein Unwesen trieb. Nie wurden diese ernsthaft verfolgt.

"Smith war Teil eines Netzwerks, das sich gegenseitig schützte", behauptet Danczuk und bezieht sich auf das Dossier, das Furore macht - weil es verschwunden ist. Es wurde 1983 von dem Tory-Abgeordneten Geoffrey Dickens dem damaligen Innenminister (und späteren EU-Kommissar) Leon Brittan überreicht. "Die Namen von acht Spitzenpolitikern stehen auf meiner Liste der Schande", hatte Dickens Zeitungen erklärt, machte die Namen aber bis zu seinem Tod nie bekannt. Brittan will das Dossier dem Innenministerium weitergereicht haben, erklärte er jüngst. Dieses will es der Polizei überreicht haben. Nur finden kann es niemand. Laut "Daily Mail" wurde Brittan von der Polizei bereits im Juni verhört. Bei den Vorwürfen gegen ihn soll es sich um eine Vergewaltigung eines Jugendlichen von 1967 handeln. Der 74-Jährige bestreitet die Anschuldigungen.

114 Dokumente fehlen

Premier David Cameron ordnete eine Untersuchung an. Ein Beamter des Innenministers berichtete, dass 114 Dokumente unauffindbar sind, die sich auf die Vorwürfe beziehen könnten. "Die Kultur damals war, nicht zu tief zu bohren", sagte der Alttory Lord Tebbit.

Wie es weitergeht, ist umstritten. 120 Abgeordnete fordern eine parlamentarische Untersuchung des "historischen" Missbrauchs von Minderjährigen. Der Kinderschutzexperte Peter McKelvie sammelt seit 20 Jahren Material über Missbrauch in höchsten Kreisen. Es gebe, sagte er dem "Daily Telegraph", genug Anhaltspunkte, um Ermittlungen gegen mindestens 20 Mitglieder aus beiden Parlamentshäusern einzuleiten.