Jeder kennt ihn, jeder mag ihn. Immer, wenn es wieder einmal hoch herging in der Politik des Nachbarlandes, erschien auf den Bildschirmen die beruhigende Gestalt von Miro Cerar. Unaufgeregt, kompetent, unbestechlich: Der 50-jährige Verfassungsjurist repräsentierte alles, was die Slowenen an ihrer hoffnungslos ineinander verkeilten Polit-Szene vermissten.

Jetzt sorgt Miro Cerar selbst für Turbulenzen. Nachdem er etliche Male verneint hatte, selbst in die Politik gehen zu wollen, hat der Spross der berühmtesten Sportlerfamilie Sloweniens vor vier Wochen eine Partei gegründet, die einfach "Partei von Miro Cerar" heißt. Die letzten drei Umfragen verheißen ihm, am übernächsten Sonntag die Nummer eins zu werden.

In dem kleinen Land mit seinem gemütlichen Alltag sind Erdrutsche bei Wahlen schon Normalität. Beim letzten Mal, vor gerade zweieinhalb Jahren, hatte der Bürgermeister Zoran Jankovic mit einer eben erst gegründeten Partei namens "Positives Slowenien" wie im Handstreich die Mehrheit gewonnen. Inzwischen ist die Partei, nach eineinhalb Jahren an der Macht, schon zerbröckelt - ihre beiden Spaltprodukte haben die größte Mühe, die Vier-Prozent-Hürde zu überspringen. Im April inszenierte Jankovic eine Art slowenisches Knittelfeld: Von Korruptionsvorwürfen gebeutelt, brachte der Partei-Patriarch die von ihm ausgesuchte Platzhalterin zu Fall.

Gleich starke politische Lager

Hinter dem lebhaften Auf und Ab stehen zwei annähernd gleich starke politische Lager, die tief in der Geschichte der Nation wurzeln. Wie feindliche Stämme stehen sich Linke und Rechte gegenüber. Die wirklichen politischen Alternativen, die beide zu bieten haben, spielen bei der Konkurrenz kaum noch eine Rolle.

Der durch und durch gemäßigte Miro Cerar gehört nach der Stammeslogik zur "Linken". Die Linke, das ist das Establishment: 1991 waren es hier die damals schon liberalen Kommunisten, die den Weg zu Unabhängigkeit, Demokratie und Marktwirtschaft einschlugen. Mit einem Machtwechsel war die große Wende nicht verbunden. Die großen Firmen, einst im "gesellschaftlichen Eigentum", wanderten ins Eigentum anonymer Fonds, die von denselben Managern kontrolliert wurden. Freunderlwirtschaft, Korruption und persönliche Bereicherung waren die Schattenseiten des "slowenischen Wirtschaftswunders", das bis zum Kriseneinbruch 2008 anhielt.

Die Rechte fühlte sich, da immer noch dieselben Personen und deren Kinder sich die Macht teilten, um die Früchte der großen Wende betrogen, igelte sich ein und griff zu maßlosen Vorwürfen. Der erste Präsident des Landes, Milan Kucan, musste sich mit Slobodan Milosevic vergleichen lassen. Dessen einstiger Verteidigungsminister, der spätere Premier Janez Jansa, malte das "Regime" in den schwärzesten Farben - auch um den Preis, dass die Rating-Agenturen ihm glaubten und die Kreditwürdigkeit des Landes abwerteten. Als Quasi-Befreiungsbewegung fühlte sich seine "Demokratische Partei" SDS chronisch im Recht. Seit zwei Wochen nun sitzt Jansa wegen Bestechlichkeit bei einem Radpanzer-Kauf rechtskräftig verurteilt im Gefängnis. Seine Partei verkauft ihren Nach-wie-vor-Obmann als "einzigen politischen Gefangenen" in der EU.

Netzwerk aus vier "Onkeln"

An Versuchen, die irrationale Konfrontation zu überwinden, hat es nicht gefehlt. Eine Pensionistenpartei, DeSUS, laviert seit fast 20 Jahren erfolgreich zwischen den Lagern. Staatspräsident Borut Pahor, ein Sozialdemokrat, übt sich in Versöhnungsrhetorik. Die scheidende Premierministerin Alenka Bratusek zog mit ihrer "linken" Partei im letzten Jahr, so erfolgreich es eben ging, ein Konsolidierungs- und Privatisierungsprogramm durch. Gedankt wurde es ihr nicht.

Glaubt man der Rechten, so wird die Linke im Hintergrund von einem geheimen Netzwerk aus vier "Onkeln" gesteuert - mit Geschäftsleuten verbundenen alten Herren mit dem Ex-Präsidenten Kucan an der Spitze. Tatsächlich hatte der "Vater der Nation", der sich in der Öffentlichkeit rarmacht, bei der Erfindung des "positiven Slowenien" offenbar seine Hand im Spiel. Aber es fehlt auch nicht viel, um als Teil der großen Verschwörung ausgemacht zu werden - bei Cerar, dessen Verlautbarungen durch und durch liberal klingen, soll es die Freundschaft seines Vaters, des großen Olympiasiegers, mit Kucan sein.

Die totale Politisierung erfasst auch die Medien und selbst die Meinungsumfragen. Bei etlichen vergangenen Wahlen haben die Demoskopen schon gründlich schiefgelegen - was den Verdacht auf politische Absichten nährt. Beste Aussicht, stärkste Kraft auf der Linken zu werden, hat trotzdem die Partei von Miro Cerar. Auf der Rechten steht die SDS des Janez Jansa mit bis zu 30 Prozent fest in der Brandung; das Gerichtsurteil hat den Ex-Premier für seine Anhänger zum Märtyrer gemacht.