Die Zeitungen sind voller Interviews mit den neuen ÖVP-Leuten. Reut es Sie schon, Ihr Team nicht verändert zu haben?

WERNER FAYMANN: Ich hatte die Gelegenheit vor fünf Jahren, mir mein Team auszusuchen. Michael Spindelegger ist erst Mitte der Periode gekommen und hat ein Team übernommen. Wenn man die Gelegenheit hat, sich sein Team auszusuchen, dann soll man ruhig auf Kontinuität setzen. Ich habe das Gefühl, dass unsere Leute gut gearbeitet haben. Wäre ich nicht dieser Meinung, würde ich einen Austausch machen.

Was soll das Kabinett Faymann II von Faymann I unterscheiden?

FAYMANN: Mein Wunschtraum wäre, dass die Leute sagen, das Kabinett Faymann I hat gut durch die Krise geführt und das Kabinett Faymann II hat aus der Krise herausgeführt. Das geht nicht ohne Europa-Politik. Wenn in Europa die Wirtschaftslage weiterhin so bescheiden aussieht, dann funktionieren unsere Exporte nicht, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Ich kann Österreich nicht zur Insel der Seligen erklären.

Wir haben die schlimmste Arbeitslosigkeit seit 60 Jahren.

FAYMANN: Man kann immer nur im Vergleich besser sein. Das sind wir. Aber es stimmt: Wir haben zwar die geringste Arbeitslosigkeit in Europa, aber es sind trotzdem viel zu viele. Vollbeschäftigung muss immer das Ziel sein.

Was sehen Sie als Zentralprojekt Ihrer Regierung?

FAYMANN: Dass wir in den Zeiten, wo es zu wenig Geld und Wachstum gibt, so sparsam wirtschaften, dass wir unser Sozialsystem aufrechterhalten können.

Sie und ÖVP-Chef Spindelegger haben einen neuen Stil versprochen. Wie sieht der aus?

FAYMANN: Wir regieren gemeinsam. Das ist wie in einem Doppel im Tennis, man gewinnt und verliert gemeinsam. Man kann nicht sagen, man verliert, weil der andere so schlecht gespielt hat.

Sie haben auch persönlich einen besseren Draht zueinander?

FAYMANN: Ja. Ich bin überzeugt, dass man als Regierungschef einen Beitrag leisten muss gegen dieses oft wirklich verheerende und unnötige Politiker-Bashing. Wir müssen vorleben, was wir unter Teamarbeit verstehen, trotz der Kritik jener, denen das zu viel Gemeinsamkeit ist.

An wen denken Sie?

FAYMANN: Es gibt Menschen, die haben überhaupt kein Interesse an Gemeinsamkeit, und die FPÖ ist eine ganze Partei davon. Aber es gibt auch andere Menschen, denen das mit der Gemeinsamkeit gar nicht gefällt. Ich glaube, dass Kritik nicht herabwürdigend sein muss. Wenn man schon Kindern beibringt, dass man andere nicht beleidigen soll, warum sollte das für erwachsene Politiker nicht gelten?

Gabriele Heinisch-Hosek hat mit ihrer Rede von der Gesamtschule ein Beben in der ÖVP ausgelöst. War das ein Rückfall?

FAYMANN: Nein, Gabi Heinisch-Hosek hat mir versichert, sie wollte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass unser Regierungsprogramm nicht gut ist. Es ist aber doch eine Frage der Selbstachtung, dass ich auch nach einer Wahl für dasselbe eintrete wie davor.

Die SPÖ feiert ihr 125-jähriges Bestehen sehr bescheiden, warum?

FAYMANN: Im Vordergrund steht, warum die Sozialdemokratie so eine starke Bewegung geworden ist, und dass der Grund dafür heute aktueller ist denn je. Das muss man nicht mit viel Glitzer und Gold darstellen, das muss man im Herzen tragen.

Was ist aktueller denn je?

FAYMANN: Die Verteilungsfrage. Dass, wenn man nichts tut, die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Heute, in einer ganz anderen Gesellschaft und einer ganz anderen Zeit, sind einige auf den Finanzmärkten sehr reich geworden, aber die jungen Leute in Griechenland haben noch immer keine Arbeit. Die Feier ist daher keine Frage der Sentimentalität, sondern ein Auftrag für heute aus der Geschichte der Sozialdemokratie.

Die SPÖ hat jetzt schlechtere Ergebnisse denn je, warum?

FAYMANN: Warum sehen heute weniger Menschen österreichisches Fernsehen als in meiner Jugend? Die Antwort ist leicht. Es gibt einfach mehr Angebot und mehr individuelle Wünsche. Es gibt mehr Konkurrenz und Wettbewerb. Gäbe es noch zehn zusätzliche Parteien links und rechts, dann wäre die Aufsplitterung noch größer.

Die Bindungskraft lässt nach.

FAYMANN: Auch, aber warum lässt die Bindungskraft nach? Ich glaube, dass es in einer modernen Gesellschaft zugleich auch die Sehnsucht nach Stärke gibt. Da liegt die Chance der SPÖ, stärker zu werden. Eine stärkere Kraft setzt mehr durch als eine schwächere.

Das haben Sie auch im Wahlkampf gesagt, gewirkt hat es nicht.

FAYMANN: Aber das ist und bleibt die Chance der Sozialdemokratie. Für die richtigen Werthaltungen einer fairen Gesellschaft will man eine starke Kraft. Dort liegt die Zukunftschance der Sozialdemokratie.

Woher dann die Schwäche?

FAYMANN: Als ich in der Politik begonnen habe, haben viele ältere Menschen ein Leben lang dieselbe Partei gewählt. Es ist ja an sich ein gutes Zeichen, dass man nicht das Gefühl hat, man muss sich politisch ein Leben lang binden. Aber es hat natürlich mehr Konkurrenz und Aufsplitterung geschaffen.

Daran können Sie nichts ändern, Sie könnten aber die Partei öffnen, einladender werden für Leute jenseits der Parteigrenzen.

FAYMANN: Wir haben eine Reihe von Änderungen in der Parteistruktur vor, die genau in die Richtung gehen.

Welche?

FAYMANN: Ich möchte es Ihnen lieber beweisen, nicht erzählen.

Ein Beispiel?

FAYMANN: Es gibt viele Menschen, die sind Kernkraftwerksgegner wie wir, aber keine Sozialdemokraten. Ich habe eine sehr gute Zusammenarbeit mit Greenpeace, die möchte ich ausbauen.

Gibt es Bemühungen, auf parteiinterne Kritiker einzugehen?

FAYMANN: Das war immer eine Stärke der Sozialdemokratie. Zwischen Bruno Kreisky, Johanna Dohnal, Christian Broda und Hannes Androsch war ein starkes Spannungsverhältnis. Da weiß ich gar nicht, ob man heute, wo einem alles gleich als Feindschaft ausgelegt wird, dieses Spannungsverhältnis überhaupt leben könnte. Man darf aber auch nicht zu harmoniesüchtig sein, denn die Kritiker wollen ja auch, dass man dagegenhält, auch als Regierungschef und Parteivorsitzender. Diesen Auseinandersetzungen will ich mehr Zeit widmen.