Bei Europas zentralem Reformprojekt gegen neue Finanzkrisen ist rechtzeitig zum EU-Gipfel der Durchbruch gelungen. Die europäischen Finanzminister einigten sich in Brüssel in der Nacht zum Donnerstag auf die Regeln zur Schließung von Krisenbanken. Damit will die EU die Lehren aus der Schuldenkrise ziehen, Sparer europaweit absichern und den Steuerzahler vor kostspieligen Rettungsaktionen bewahren.

Die europäische Grundsatzeinigung auf eine Bankenunion hat heute für Freude bei der ÖVP gesorgt, im Sparkassenverband, den Grünen und bei der Arbeiterkammer (AK) hingegen ist die Stimmung leicht getrübt.

Langfristige Stabilität

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sprach von einer "revolutionären Veränderung" für den Bankensektor in Europa. Steuerzahler würden in Zukunft nicht mehr die Rechnung für Bankenkrisen zahlen müssen. Zudem schaffe die Regelung "langfristige Stabilität" im Finanzbereich. Dies sei auch wichtig für die gesamte Wirtschaft, die auf gesunde Kreditinstitute als Geldgeber angewiesen sei.

Mit der Einigung auf den Abwicklungsmechanismus hätten die EU-Minister "den letzten rechtlichen Pfeiler" der Bankenunion errichtet, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). "Das ist ein guter Tag." Sein französischer Kollege Pierre Moscovici lobte das Entgegenkommen Deutschlands. Die französisch-deutsche Zusammenarbeit in der Frage sei "sicher entscheidend für die abschließende Einigung" gewesen.

Schäuble und Moscovici trafen sich am Donnerstagvormittag noch in Paris. Schäuble betonte dabei, beide Länder gemeinsam hätten "entscheidend dazu beigetragen", dass eine Lösung zur Bankenunion gefunden worden sei. Im Umgang mit der Eurokrise und zur Stärkung des Euroraums sei "die Schaffung der Bankenunion das wichtigstes Element für die kommenden Jahre". Es liege aber noch "viel Arbeit" vor den Regierungen, etwa bei der Regulierung des Investmentsektors oder bei der Schaffung einer Finanztransaktionssteuer.

Nach monatelanger und kontroverser Debatte über das Projekt hatten die Minister mächtig unter Druck gestanden. Nur mit einem Durchbruch vor dem Gipfel ab Donnerstagnachmittag bleibt ausreichend Zeit, bis zur Europawahl im Mai auch noch eine Einigung mit dem EU-Parlament zu erzielen.

377 Banken beaufsichtigt

Die 127 bereits der europäischen Bankenaufsicht unterstehenden Banken sowie rund 250 grenzüberschreitend tätige Banken der Eurozone fallen künftig direkt unter die Kontrolle einer neuen Abwicklungsagentur. Der Fonds zur Bankenschließung wird schrittweise aus Abgaben der Banken selbst gefüllt. Er soll innerhalb von zehn Jahren bis zu 55 Mrd. Euro schwer werden. Bis zum Starttermin Anfang 2016 soll auch sichergestellt sein, dass bei Bankenpleiten in der Regel zunächst Inhaber, Gläubiger und reiche Anleger einspringen anstatt wie bisher meist die Steuerzahler.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mahnte am Donnerstag aber, dass nun "sehr lange Verhandlungen" mit den EU-Abgeordneten anstünden. Die von den Finanzministern erzielte Einigung sei "sehr weit" davon entfernt, was das Parlament sich gewünscht habe.

Österreichs Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) meinte "mehr als erfreut: Damit werden künftig die Kosten für die Beseitigung von Bankenproblemen nicht mehr auf die Steuerzahler abgewälzt, sondern auf die Eigentümer". Dem pflichtete Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl bei. Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments, hielt fest: "Es geht ja doch. Das ist ein neuerlicher Beweis, dass bei entsprechendem Willen Ergebnisse möglich sind." Die Europasprecherin der NEOS, Angelika Mlinar, sieht "einen Schritt in die richtige Richtung".

Mit dem wollte Sparkassen-Generalsekretär Michael Ikrath nicht ganz Schritt halten. "Es ist an der Zeit, dass die Politik das Kundenbankensystem sichert und verteidigt", so sein Credo. Auf die Banken würden "enorme Regulierungskosten" zukommen, "die sie in ihrer Kernaufgabe - der Kreditvergabe - erheblich behindern". Seine Erkenntnis daraus: "Jeder spricht von Wachstum und Ankurbelung der Wirtschaft. Die stabilen und wichtigen Partner, Kundenbanken wie z.B. Sparkassen, werden von der Politik nicht verteidigt und geschützt, sondern mit immer mehr Belastungen erdrückt. Wenn nicht ganz rasch gegengesteuert wird, droht eine Kreditklemme."

Zwar nicht so skeptisch, aber auch nicht ganz zufrieden ist die Arbeiterkammer. Werner Kogler, stv. Bundessprecher der Grünen, äußerte sich grundsätzlich positiv, bemängelte aber die Komplexität der Entscheidungskette. Team Stronach Finanzsprecher Robert Lugar wiederum warnte vor einer Umverteilung. FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs kritisierte die Abwesenheit von Finanzminister Spindelegger bei den Verhandlungen zur Bankenunion.