Das jahrelang vorbereitete Partnerschaftsabkommen der Europäischen Union mit der Ukraine droht zum Rohrkrepierer zu werden: Eine Woche vor der geplanten Unterzeichnung schmetterte erst das ukrainische Parlament am Donnerstag eine medizinische Behandlung der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko im Ausland ab - was eine Kernforderung der Europäer war.

Dann stoppte die Regierung in Kiew auch noch die Vorbereitungsgespräche. Trotz dieser schallenden Ohrfeige will die EU das Abkommen retten - damit am Ende der lachende Dritte nicht Russland heißt.

"Schande!", riefen die oppositionellen Parlamentarier, nachdem die Abgeordneten der Regierungspartei von Staatschef Viktor Janukowitsch den Hoffnungen auf eine baldige Annäherung ihres Landes an die EU eine klare Absage erteilt hatten. Sie ließen ein Gesetz durchfallen, das eine Ausreise Timoschenkos ermöglicht hätte, um sich in der Berliner Charité-Klinik wegen eines Bandscheibenleidens behandeln zu lassen. Dabei war dies eine Schlüsselforderung der EU für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens sowie eines Freihandelsvertrags Ende der kommenden Woche auf einem Gipfeltreffen in Litauen.

Politische Justiz

Der Fall der 2011 in einem international kritisierten Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilten Timoschenko gilt der EU als Symbol für eine politisch gesteuerte Justiz in der Ukraine. Trotz des Affronts des Parlamentsvotums kündigte die EU an, das Abkommen noch retten zu wollen: EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle erklärte, sich noch am Donnerstag erneut ins Flugzeug zu setzen, um zum zweiten Mal in dieser Woche Verhandlungen vor Ort zu führen.

"Das ist Teil der laufenden Bemühungen, die Absicht der Europäischen Union für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zu unterstreichen", sagte Füles Sprecher. Doch die EU, die der Ukraine unter Verweis auf unerfüllte Reformen im Justizbereich und beim Wahlrecht sowie die ausstehende Lösung im Fall Timoschenko eine Unterschrift bisher verweigerte, dürfte zu spät kommen: Die Regierung in Kiew veröffentlichte wenige Stunden nach dem Parlamentsvotum auch noch ein Dekret, mit dem sie die laufenden Vorbereitungen des Abkommens stoppte.

Das Bemühen der EU um die Ukraine ist der Befürchtung geschuldet, dass sich die frühere Sowjetrepublik nicht Europa, sondern dem übermächtigen Nachbarn Russland zuwendet. "Die Entscheidung Janukowitschs lässt vermuten, dass die ukrainische Führung wegen der wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des russischen Drucks nun selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Abkommen nicht unterschreiben will", bewertet der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), die Entwicklung.

Gespräche mit Putin

Janukowitsch reiste kürzlich zu Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau - seit seiner Rückkehr nahmen die Europäer eine nachlassende Bestimmtheit der Regierung in Kiew in den Gesprächen über das geplante Abkommen wahr. Putin will die Ukraine zum Beitritt zu einer Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland bewegen und droht dem bereits mit wirtschaftlichen Problemen kämpfenden Land mit Auswirkungen auf die gegenseitigen Handelsbeziehungen.

Die Ukraine ist ein wichtiges Transitland für Gaslieferungen aus Russland nach Europa und mit rund 45 Millionen Einwohnern das bevölkerungsstärkste Land unter den sechs Staaten, die an der EU-Initiative für eine "Östliche Partnerschaft" teilnehmen. Mit einer Fläche von mehr als 600.000 Quadratkilometern ist die Ukraine zudem nach Russland das größte Land Europas. Zusammen mit seiner mehr als 1300 Kilometer langen Schwarzmeerküste macht das den Staat zu einem interessanten Zankapfel zwischen Europa und Russland.

Janukowitsch will nun den Spagat zwischen Ost und West schaffen: Statt des Abkommens schlägt er die Bildung einer Dreierkommission mit Russland und der EU über Handelsfragen vor. Das EU-Abkommen dürfte damit aber vor dem Aus stehen.