Herr Bundeskanzler, wie geht es Ihnen, wenn Sie dieser Tage die Zeitungen lesen? WERNER FAYMANN: Danke gut, ich muss nur so viel aufklären, was der Unterschied zwischen einem Budget und einer Prognose ist. Da bin ich im Volleinsatz.

Wie konnte es zu diesem Fiasko kommen? FAYMANN: Es ist unser neuer Stil, erst etwas auszumachen und dann erst an die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn natürlich Einzelne ihre Privatprognosen und Einzelmeinungen in den Zeitungen lesen wollen, dann stört das unser vertrauliches Gespräch.

Das Problem war doch, dass die Aussichten vor der Wahl anders aussahen als nach der Wahl. FAYMANN: Das finde ich falsch.

Jetzt wird's interessant. FAYMANN: Vor der Wahl haben wir ein Budget für 2013 beschlossen. Da steht drin, was in der Kassa ist.

Das steht ja außer Streit. FAYMANN: Kann ich Ihnen meine Mails zeigen? Die Mehrheit der Leute fragt ja nicht, warum eine Prognose anders ist, sondern: "Warum wisst ihr nicht, was in der Kassa ist?"

Das haben wir aber aufgeklärt. FAYMANN: Vielleicht helfen Sie uns: Ich frage Sie, wissen Sie, was im Jahr 2018 Ihr Einkommen ist? Und wie Ihre Ausgaben ausschauen werden? Dass man darüber verschiedener Ansichten sein kann, ist klar. Die Hochrechnungen des Finanzministeriums sind aufgrund der letzten Prognose entstanden. 18 Milliarden Mindereinnahmen, das hat nicht einmal die Frau Finanzministerin wissen können. Das ist erst nach der Wahl gekommen.

Es gab vor der Wahl negativere Prognosen der EU und des Budgetdienstes des Parlaments. Die wurden nicht berücksichtigt bei den Versprechungen. FAYMANN: Das war jetzt unfair. 2013 unterschreitet das Budget neuerlich die Vorgaben.

Ich rede nicht vom beschlossenen Budget, sondern von den Wahlversprechen. FAYMANN: Die sind aufgebaut auf die Vorschau. Ich kann sie der Reihe nach durchgehen. Da ist einmal die Steuerreform. Ich gebe zu, ich hätte mir ein Datum dafür gewünscht. Nach dieser Schätzung kann ich kein Datum nennen, aber ich bin nach wie vor für eine Steuerreform. Ich gehe davon aus, dass wir, sobald das Potenzial dafür vorhanden ist, als Erstes den Eingangssteuersatz senken und auf der anderen Seite eine vermögensbezogene Steuer einführen. Ich kann nur kein Datum für eine Steuerreform nennen, solange die Budgetexperten warnen, die Einnahmen könnten einbrechen. Das zweite Versprechen war, das Pensionsalter für Frauen nicht früher anzuheben. Das wird sich 2024 ändern, wie es mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde. Die Überlegung, es schon ab 2019 zu ändern, hat mit der Prognose bis 2018 nichts zu tun.

Könnte es nicht noch früher machen? FAYMANN: Das kann man nicht, weil fünf Jahre Vorlauf nötig sind.

Eine Vorverlegung auf 2019 würde Ihnen für die folgenden fünf Jahre eine Entlastung bringen. FAYMANN: Ja, aber wir reden jetzt bis 2018. Ich bin nicht dafür, dass man die zentralen Wahlkampfaussagen ad acta legt. Daran messen einen die Menschen.

Bei den Pensionen wird sich generell nichts ändern? FAYMANN: Oh ja, das faktische Pensionsantrittsalter.

Wie wollen sie das senken? FAYMANN: Da hat Rudolf Hundstorfer mit Rudolf Mitterlehner eine Reihe von Ideen, zum Beispiel ein Bonus-Malus-System.

Ist das realistisch? FAYMANN: Ja, die Gruppe arbeitet auch an ein paar anderen Dingen, die das faktische Pensionsalter hebt. Ich habe gesagt, ich will keine gesetzliche Änderung, aber ich will zum Beispiel, dass die Frauen die Möglichkeit haben, faktisch länger zu arbeiten, dass es Anreize dafür gibt. Ich will auch die Möglichkeit fördern, dass es Arbeitsplätze für ältere Mitarbeiter gibt.

In den letzten Tagen war viel die Rede von Luxuspensionen. Können Sie sich vorstellen, von diesen einen Solidarbeitrag zu fordern? FAYMANN: Ja. Wir wollen schon am Dienstag im Ministerrat eine gemeinsame Erklärung vorlegen und dann alle Pensionen durchforsten. Wenn Eisenbahner einen Beitrag leisten, wird vielleicht auch ein Exdirektor der Nationalbank einen Beitrag leisten können. Die Details muss man noch mit den Oppositionsparteien akkordieren, weil dafür eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein wird.

Und die einfachen Pensionisten? FAYMANN: Denen haben wir zugesagt, dass wir die reduzierte Erhöhung ihrer Pension nicht zur Dauereinrichtung machen.

Und das Familienpaket? FAYMANN: Das haben wir vor der Wahl vorgestellt: 800 Millionen Euro verbesserte Kinderbetreuung und 800 Millionen für mehr Geldleistungen.

Die sind jetzt gestrichen. FAYMANN: Das klingt so hart. Wir lassen die Sachleistung für Familie. Das hat auch für die Konjunktur Bedeutung. Die Geldleistung machen wir, wenn wir es uns leisten können. Ich bin überzeugt, dass ein ÖVP-Finanzminister, sobald er oder sie das Potenzial dafür sieht, diese Erhöhung als Erstes umsetzt, weil es ein zentraler Forderungspunkt war.

Die Länder müssen fünf Millionen beitragen? FAYMANN: Schön, dass Sie das sagen - das würde mich bei den Verhandlungen sehr unterstützen. Die Bundesländer sagen, es ist ein bissl weniger.

Dann bleiben immer noch 15 Milliarden, die Sie im Bund einsparen müssen. Kommen höhere Massensteuern? FAYMANN: Nein, das hab ich immer gesagt.

Vor der Wahl ... FAYMANN: ... und nach der Wahl. Was ich mir wünsche, ist eine Steuer, die das oberste eine Prozent belastet, entweder in Form einer Erbschafts- und Schenkungssteuer mit hohen Freigrenzen oder eine vergleichbare andere Einnahme. Das habe ich im Wahlkampf immer vertreten.

Die ÖVP vertritt das Gegenteil. Sind Sie einander in diesem Punkt nähergekommen? FAYMANN: Insofern, als wir gesagt haben: Wir bringen zuerst die ausgabenseitigen Maßnahmen unter Dach und Fach. Es geht um eine Einsparung von zwei bis vier Prozent. Das ist zwar nicht angenehm. Aber es ist machbar. Da wird mir jeder, der wirtschaftliche Erfahrung hat, recht geben.

Wo wollen Sie hingreifen? FAYMANN: Bei der Überschneidung von Bund und Ländern gibt es eine Reihe von Punkten. Manches fördern Bund und Länder zugleich, da ist eine Veränderung möglich. Die Personalkompetenz ist in den Ministerien verteilt, die wollen wir in einer Stelle konzentrieren. Dasselbe gilt für den Energiebereich und für den Wagenpark.

Sie hätten Ihre Geldsorge auf einen Sitz los, würden Sie das 13. und 14. Monatsgehalt besteuern. FAYMANN: Das mache ich aber sicher nicht, weil dann hätte zwar ich das Problem weg, dafür aber die Bevölkerung. Sie wissen, wie viele Menschen sich freuen, dass Sie mit dem Geld auf Urlaub fahren oder Schulden zurückzahlen können. Das hat in Österreich eine ganz besondere Bedeutung.

Denken Sie an eine Nulllohnrunde für Beamten? FAYMANN: Nein, ich will eine Diskussion darüber, wie man mit weniger Beamten dieselbe Leistung erbringen kann. Wann, wenn nicht am Anfang einer Legislaturperiode, muss man einen steilen Weg einschlagen?

Wie erklären Sie Zweiflern überhaupt die Sparnotwendigkeit? FAYMANN: Wir haben 200 Milliarden Schulden. Da macht ein Prozent zwei Milliarden aus. Auf fünf Jahre gerechnet sind zwei Prozent Zinsen zwanzig Milliarden Euro. Das Nulldefizit ist also kein Fetisch. Je geringer die Zinsen für Staatsanleihen sind, umso sinnvoller kann man das Geld verwenden. Darum bin ich so daran interessiert, dass das Budget absolut nicht aus den Fugen läuft. Die tolle Bonität Österreichs habe ich nie riskiert. Das ist auch ein Kompliment an alle Mitarbeiter und die Führung des Finanzministeriums.

Am Montag wird wieder über das Lehrerdienstrecht verhandelt. Wann wollen Sie es beschließen? FAYMANN: Das wollen wir schon am Dienstag verabschieden.

Egal, was am Montag herauskommt? FAYMANN: Das muss man einarbeiten, aber es ist unser Ziel, das Gesetz am Dienstag vorzulegen.

Sie haben lange geschwiegen und geheim verhandelt, bis jetzt. FAYMANN: Das ist ja der neue Stil.

Der Stilbruch endet mit diesem Gespräch wieder? FAYMANN: Wir werden in Zukunft regelmäßige Informationen geben. Ich bitte nur, dass wir trotzdem hie und da darauf verweisen dürfen, dass etwas erst zu Weihnachten fertig ist.