Sie haben Othmar Karas als jüngsten männlichen Abgeordneten in der Parlamentsgeschichte abgelöst. Gab es bereits Ratschläge vom Vorgänger? JULIAN SCHMID: Ja, es ist arg, wenn dich jemand plötzlich anruft, den du nur aus dem Fernsehen kennst. Er wollte eine Staffelübergabe machen - und gab mir gleich ein paar Lebenstipps mit.

Lebens- oder Überlebenstipps? SCHMID: Beides. Er hat gemeint, das Wichtigste ist, dass man sich für seine Freunde ganz viel Zeit nehmen muss. Ich geb' dem Othmar auch recht (lacht).

Welche Gefühle hatten Sie bei der Angelobung im Nationalrat? SCHMID: Gänsehaut. Ich war zuvor erst einmal im Parlament - mit der Schule bei der Wien-Woche.

Sieben Jahre später kehrten Sie zurück - zur Angelobung. SCHMID: Vor dem Haus habe ich schon einen argen Respekt. Du kommst da rein in die Säulenhalle. Es hat den Mief - oder Charme - der Siebzigerjahre.

Fühlen Sie sich dafür reif genug? Oder ist es sogar gut, gar nicht reif zu sein, weil man dann nicht in den gewohnten Bahnen denkt? SCHMID: Ich bin hin- und hergerissen: Es ist natürlich eine Herausforderung, so jung im Parlament zu sein. Auf der anderen Seite ist es eine Volksvertretung, in die viel mehr Junge hineingehören.

Hatten Sie schon Kontakt zu den Politikern anderer Fraktionen? SCHMID: Ja, als Erster ist Frank Stronach zu mir gekommen und sagte: "Ich bin der älteste Abgeordnete, du bist der jüngste - viel Glück."

Er versuchte aber nicht, Sie für seine Fraktion abzuwerben? SCHMID: Nein, aber ich hab das als spannend empfunden und war baff. Denn sonst gab es kaum Begrüßungsszenen. Ich bin dann gleich zum Faymann gegangen.

Wie hat der Kanzler reagiert? SCHMID: Er war auch eher perplex, dass ihm jemand von einer anderen Partei viel Glück wünscht.

Und haben Sie auch FPÖ-Chef Strache alles Gute gewünscht? SCHMID: Zu dem bin ich nicht gegangen. Dafür ist mir die Distanz zu meinen Werten zu groß.

Aber Sie wollen Grenzen zwischen den Parteien aufweichen? SCHMID: Ich habe den anderen Jungen in allen Parteien vorgeschlagen, dass wir gemeinsame Anträge initiieren - eine Initiative der Jungen, das wäre krass.

Auf dem Weg dorthin lauern viele Hindernisse, etwa Klubzwänge. SCHMID: Ja, ich fürchte, dass sich die anderen dabei schwertun werden, hoffe aber, dass das nicht so sein wird.

Welche Gesetzesvorhaben wollen Sie voranbringen? SCHMID: Die Zahl der Praktika ist explodiert, ein Praktikumsgesetz fehlt. Was mir total am Herzen liegt, ist das Bildungssystem - es läuft so viel falsch in den Schulen. Keiner fragt, was die Schüler wollen. Fast eine ganze Generation steht in der Früh auf und geht ungern zur Schule.

Aber zu glauben, mit einer neuen Bildungspolitik würden alle Schüler gerne in die Schule gehen, ist wohl etwas realitätsfremd. SCHMID: Ja, klar, aber es ist eine Vision. Ich will eine Stimme der Schüler im Parlament sein. Momentan wird in der Schule auf deinen Schwächen als Schüler herumgeritten - die Leute verlieren die Lust am Lernen.

Wie könnte man das ändern? SCHMID: Wir brauchen viel mehr Förderlehrer, die auf die Schüler eingehen. Und die Lehrerauswahl muss verbessert werden.

Sie waren Landesschülersprecher, zuvor haben Sie am BRG Viktring einen Kantinenstreik organisiert, Ihr erster Erfolg? SCHMID: Genau das ist Politik - wir alle können alles verändern, wenn wir wollen. Die Kantine ist ja ein Monopol - und diese hatte unverschämt hohe Preise mit mäßiger Auswahl, ohne vegetarisches Essen. Wir haben sie ein paar Tage boykottiert - daraufhin sind die Preise gesenkt worden.

Alle Schüler folgten Ihnen? SCHMID: Der ganz große Teil.

Was unterscheidet Sie von anderen? SCHMID: Was ich halt kann, ist das Tun. Ich raunze nicht gern ewig herum.

Woran soll man Sie nach fünf Jahren im Parlament messen? SCHMID: Daran, ob ich mich für die Jungen gut eingesetzt habe.

Wie lange ist man für Sie jung? SCHMID: So bis 30, das hat sich ja ausgedehnt.

Die Grünen müssten also für einen 24-Jährigen eine alte, etablierte Partei sein. SCHMID: Als ich zur Welt kam, gab es sie schon. Aber als ich in Kärnten mit 13 zu den Grünen gestoßen bin, war alles erst im Aufbau.

Jahrzehnte vor Ihnen kam Josef Cap als roter Revoluzzer ins Parlament - was lernen Sie aus seinem späteren Werdegang? SCHMID: Man muss schon sehr aufpassen, dass man sich nicht zu verstellen beginnt. Ich schaue, dass ich mich nicht verändere.

Aber auch Sie werden sich in fünf Jahren wieder um den Einzug in den Nationalrat bewerben? SCHMID: Für mich ist es das Größte, das jetzt geschafft zu haben. Ich will einfach meine Arbeit gut machen und denke nicht an die nächste Wahl - das ist ungeheuer befreiend.

Sie kamen im Pulli zur Angelobung - wie waren die Reaktionen? SCHMID: Ich habe gar keinen Anzug. Und ich darf doch nicht gleich am ersten Tag beginnen, mich zu verstellen.

Gab es dafür Rüffel? SCHMID: Einige waren irritiert, einer von den Neos wollte mit mir einen Anzug kaufen gehen. Ich bleibe aber dabei: Gerade als Politiker darf man sich nicht verstellen. Das Parlament ist der Ort, authentisch zu sein.

Haben Sie eine Vision? SCHMID: Die Politik soll in 20, 30 Jahren anders ausschauen. Viele Junge sind verdrossen, weil sie das Gefühl haben, dass Politiker Männer in grauen Anzügen, mit viel Geld und dicken Autos sind, die mit nichtssagenden Slogans vom Wahlplakat lachen. Dieses Bild ist oft nicht so falsch. Ich will dieses Bild verändern.

Wie sollte denn Politik heute gemacht werden? SCHMID: Die jungen Leute sind damit aufgewachsen, alles kommentieren zu können. Gerade durch das Internet. Ich will, dass die jungen Leute in der Politik mehr kommentieren und mitreden können. Es werden extreme Umbrüche kommen. Das Gottvertrauen gegenüber der Politik ist sehr erschüttert worden - und das ist nicht schlecht.

Tut man sich als Kärntner in der Bundespolitik schwerer? SCHMID: Der Ruf Kärntens hat sich ja gebessert. Und allein aufgrund des Dialekts bist und bleibst du immer ein Kärntner Bua - und das ist ja auch gut so (lacht).